Gespräch mit Guido Zander im Vorfeld des HR Innovation Days 2025
Der HR Innovation Day 2025 nähert sich mit Riesenschritten. Heute führe ich eines der traditionellen Vorab-Interviews mit den Keynote-Speakern des Events. Dafür steht mir der bekannte und streitbare Arbeitszeitexperte Guido Zander von der SSZ Beratung zur Verfügung. Guido Zander ist ein guter Bekannter und ein aktiver Unterstützer unseres Formats sowie meiner Blogging-Aktivitäten. So war er bereits beim HR Innovation Day 2022 als Workshop Host dabei und zählt zu den Mitautoren meines Buches „Deskless Work und Personalmanagement“ (erscheint im Sommer 2025). Er wird zum diesjährigen HR Innovation Day eine Keynote zum Thema „(K)Intelligentes Workforce Management - Chancen und Grenzen von KI bei Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanung“ anbieten. Ich freue mich sehr, mit ihm einen Keynote-Speaker gewonnen zu haben, der den Teilnehmern anhand von konkreten Szenarien zeigen kann, wie der Einsatz von KI zu spürbaren Verbesserungen bei der Planung und dem Einsatz von Mitarbeitenden führen kann. Damit können Unternehmen nicht zuletzt auch die Zufriedenheit und Bindung von Mitarbeitenden entscheidend beeinflussen. Vielen Dank bereits an dieser Stelle an Guido Zander für sein aktive und anhaltende Unterstützung des HR Innovation Days.
Wald: Lieber Herr Zander, was fasziniert Sie am Thema Arbeitszeit und wie ist das Geschäftsmodell der SSZ entstanden?
Zander: Das tolle am Thema Arbeitszeit ist, dass man mehrere für Unternehmen erfolgskritische Themen gleichzeitig positiv beeinflussen kann: Profitabilität, Kundenorientierung und Mitarbeiterzufriedenheit. Die Themen stehen zwar in einem gewissen Spannungsfeld, wir haben bei SSZ aber Wege und Methoden gefunden, wie wir diese für alle Beteiligten gut unter einen Hut bekommen. Besonders wichtig ist mir dabei die Mitarbeiterzufriedenheit, die wurde im Thema Arbeitszeit gerade bei der Deskless Workforce in der Vergangenheit stark vernachlässigt.
Unser Geschäftsmodell ist aus dem Eindruck entstanden, dass es im Thema Workforce Management kein von Software-Herstellern unabhängiges Know-how gab. Mein Kollege Dr. Burkhard Scherf und ich waren im Management bei einem Hersteller für Workforce Management und hatten den Eindruck, dass viele Kunden die Software gekauft hatten, ohne eine klare Vorstellung zu haben, wie die Prozesse zur Personaleinsatzplanung aussehen sollen, wie man Arbeitszeit attraktiv und flexibel gestaltet. Teilweise hatten sie sogar Betriebsvereinbarungen, die eine flexible Planung nicht unterstützt haben, so dass sehr oft der mit der Einführung der Software erhoffte Nutzen nicht realisiert werden konnte. Nach einer kleinen Marktforschung war klar, dass es damals niemanden gab, der dieses Know-how außerhalb von Softwareunternehmen hat und damit aktiv Kunden berät. Das war dann 2004 der Startschuss für uns, SSZ als unabhängige Beratung im Thema Arbeitszeit und Workforce Management zu gründen. Und 20 Jahre später sind wir Marktführer in diesem Segment.
Wald: Was ist neu beim Einsatz von KI-Lösungen bei der Personalplanung? Wie lässt sich ihr Einsatz konkret vorstellen? Wo liegen Chancen aber auch die Grenzen entsprechender Lösungen?
Zander:Neu ist, dass es endlich – zumindest teilweise - wirklich KI ist. In den letzten Jahren wurden viele bestehenden Algorithmen plötzlich als KI verkauft. Nun ist der Begriff KI auch sehr weit gefasst. Im weitesten Sinne gilt auch eine statistische Regression als KI, wenn man aber sieht, was vor allem generative KI-Werkzeuge wie ChatGPT leisten, sollte man mit dem Begriff KI in Zukunft etwas sorgfältiger umgehen. Mittlerweile werden Modelle wie z.B. Prophet für den Forecast von Bedarfen verwendet und auch bestimmte Optimierungsverfahren zur automatischen Berechnung von Personaleinsatzplänen würde ich im weitesten Sinne noch als KI bezeichnen, auch wenn sie aktuell noch nicht wirklich „lernen“. Teilweise sehe ich das sogar kritisch. Manche Anbieter zeigen Szenarien auf, dass das System merkt, wenn bestimmte Anpassungen im Plan immer wieder manuell vorgenommen werden, um dann diese Anpassungen automatisch gleich selbst durchzuführen. Hier fehlt mir eine qualitative Komponente. Denn das System weiß ja nicht, warum die Anpassung durchgeführt wird. Wenn der Einsatzplaner immer seinem Kumpel die besten Schichten einträgt, bin ich mir nicht so sicher, ob das System das kritiklos unterstützen sollte. Hier müsste in jedem Fall noch eine Logik etabliert werden, die überprüft, ob der Plan durch den manuellen Eingriff wirklich besser wird oder ob die Fairnesskriterien eingehalten werden.
Wald: Sie sprechen hier von den Möglichkeiten eines User Interface, in dem Einsatzpläne nicht mehr zusammengeklickt, sondern interaktiv (mMn auch gemeinschaftlich) generiert werden können.
Zander: Ja, durch die Sprachmodelle entstehen ganz neue Formen der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die Konfiguration eines Algorithmus für eine automatische Planerzeugung ist heute eine extrem komplexe und aufwändige Angelegenheit, die nur durch Spezialisten der jeweiligen Software-Hersteller durchgeführt wird. Mittelfristig könnte ich mir vorstellen, dass User dem System die Kriterien für eine Planerstellung diktieren bzw. mit ihm diskutieren. So könnte man z.B. sagen, dass man für den nächsten Monat einen Einsatzplan haben möchte, der den Schwerpunkt auf Bedarfsdeckung legt, dass aber innerhalb der Bedarfsdeckung möglichst viele Wünsche und Präferenzen der Mitarbeitenden abgedeckt werden sollen und dass die Anzahl der Samstagsschichten möglichst gleich verteilt sein soll. Wenn dann das Ergebnis noch nicht passt, könnte man im Dialog noch nachschärfen.
Wald: Ergeben sich durch den Einsatz von KI aus Ihrer Sicht Argumente gegen die Vertreter der Fraktionen „Das haben wir schon immer so gemacht“- und „Das funktioniert bei uns nie“?.
Zander: Bei der automatischen Generierung von Einsatzplänen gibt es nach wir vor sehr große Vorbehalte, ob das funktioniert und tatsächlich besser ist als fixe Schichtpläne. Und ja, es gibt durchaus noch Szenarien, in denen rollierende Schichtpläne besser passen, die werden in unserer volatilen Welt aber immer weniger. Wenn ein System ein Optimum aus Bedarfsdeckung und Mitarbeiterwünschen errechnet, werden sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmen flexibler. Und je besser das funktioniert, umso eher kann man o.g. Fraktionen den Wind aus den Segeln nehmen. Und da wird KI sicherlich helfen, denn aktuell gibt es auch noch Algorithmen am Markt, die nicht wirklich gute Ergebnisse liefern und wo eine gewisse Skepsis durchaus angebracht ist.
Wald: Welche Möglichkeiten bieten sich gerade im Bereich der Deskless Worker durch den gezielten Einsatz neuer KI-gestützter Lösungen?
Zander: Im Bereich Deskless Workforce insbesondere in der Produktion würde ich das Thema noch um Automatisierung erweitern. Dazu gehört, dass Maschinen möglichst lange bedienerlos laufen können, was wiederum die Möglichkeit für flexibles Arbeiten ermöglicht. Wenn eine Maschine mehr als acht Stunden bedienerlos laufen kann, kann man eine vollkontinuierliche Produktion mit 2 Schichten bedienen und dabei sogar noch Gleitzeit einführen bzw. sogar völlig flexibel arbeiten. Wenn Mitarbeiterende z.B. eine APP haben, die ihnen anzeigt, wann ein Eingangspuffer leer oder ein Ausgangspuffer voll sein wird, können Mitarbeitende selbständig entscheiden, wann sie in die Firma fahren, um die Puffer aufzufüllen oder zu entleeren. Plötzlich werden Arbeitszeitmodelle wie in der Verwaltung möglich.
Wald: Dann könnten hier die Wünsche der Mitarbeitenden nach bestimmten Einsatzzeiten besser berücksichtigt werden.
Zander: Genau, das ist dann die Kombination aus Mitarbeiter-App und Optimierungsalgorithmus. Die Mitarbeiter können Ihre Präferenzen und Verfügbarkeiten sowie Schicht- oder Freizeitwünsche im System hinterlegen und das System versucht im Rahmen der Bedarfe möglichst viele davon zu erfüllen. Auf diese Weise haben die Mitarbeitenden bereits in der Planungsphase Einfluss auf ihre Arbeitszeit. Und wenn dann doch noch was nicht passt, kann man ggf. nach der Planerstellung noch über eine Schichtbörse Schichten mit den Kolleg:innen tauschen.
Wald:Was können Sie Unternehmen empfehlen, die derzeit den Einsatz der hier diskutierten Lösungen erwägen?
Zander: Sich vorher genau zu überlegen was man möchte, wie die Prozesse definiert sind und dann erst ein passendes System zu suchen. Und bei der Systemauswahl genau hinzusehen. Viele Hersteller werben mit einer App und einem Mechanismus, um automatisch Einsatzpläne zu generieren, es gibt aber in der Qualität der Umsetzung und der möglichen Ergebnisse erhebliche Unterschiede. Wer sich unsicher ist, kann gerne bei uns nachfragen. Wir kennen die meisten Systeme und Hersteller sehr gut.
Wald: Meine Standardfrage stelle ich immer zum Schluss. Warum kommen Sie nach Leipzig zum HR Innovation Day?
Zander: Da ich schonmal teilgenommen habe, weiß ich, dass es eine tolle Veranstaltung ist. Und darüber hinaus nutze ich gerne Gelegenheiten, mein Netzwerk auszubauen und darzustellen, dass im Thema Arbeitszeit weit mehr möglich ist, als in den meisten Unternehmen aktuell umgesetzt ist.
Wald:Ganz herzlichen Dank für Ihre Unterstützung des HR Innovation Days.
Zander: Sehr gerne und bis bald.
Mein Gesprächspartner Guido Zander zählt zu den Top 40 HR-Köpfen (Personalmagazin). Er hat Wirtschaftsinformatik an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg studiert und ist seit 2005 geschäftsführender Partner der SSZ Beratung. Seit über zwei Jahrzehnten berät er gemeinsam mit Dr. Burkhard Scherf Unternehmen und Organisationen verschiedener Größen und Branchen zu Fragen des Umgangs mit Arbeitszeit und der Personalplanung. Er gilt deutschlandweit als einer der führenden Experten auf dem Gebiet Arbeitszeitmanagement. Seine Bücher darunter „Wundermittel 4-Tage-Woche?“ sowie „NewWorkforce Management – Arbeitszeit human, wirtschaftlich und kundenorientiert gestalten“ sind regelmäßig in den Top 100-Büchern des Personalmanagements zu finden.