Gespräch mit Helge Weinberg zum HR Journal
Wie wichtig Information und Kommunikation gerade bei Personalern und Führungspersonen ist, habe ich auch im Leipziger HRM-Blog häufig thematisiert. So verwundert es nicht, dass hier neue Angebote meine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Heute spreche ich mit Helge Weinberg - dem Gründer des HR Journals.
Helge ist mit diesem neuen Format seit August 2020 am Start und hat mittlerweile eine überaus stattliche Anzahl von Beiträgen kommuniziert. Ich freue mich sehr, dass ich ihm heute einige Fragen zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft seines „Babys“ stellen kann. Da Helge auch ein bekannter und breit vernetzter Experte auf dem Gebiet der HR-Kommunikation ist, liegt es auf der Hand, mit ihm auch über mögliche Trends in der HR-Kommunikation zu diskutieren.
Peter: Bereits vorab herzlichen Dank, dass ich Dir einige Fragen zum HRJournal und zu Fragen der Kommunikation im HR-Umfeld stellen kann. Wir kennen uns ja bereits geraume Zeit insbesondere aufgrund deines Interesses am HR Innovation Day, der nun Corona bedingt mehrere Mal ausfallen musste.
Helge:
Was ich sehr schade finde. Der HR Innovation Day war bisher bei mir immer ein fest gesetzter Termin. Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns alle wieder persönlich treffen, und zwar in Leipzig. Wie sehen denn Deine Pläne in dieser Hinsicht aus? Können wir hoffen?
Peter: Im Moment nähere ich mich dem Optimismus-Modus und überlege, ob und wie ich einen HR Innovation Day 2022 Anfang Juni 2022 evtl. auf die Beine stellen kann.
Peter: Du bist einer der Journalisten, die sich durch einen hohen Sachverstand zu Fragen des modernen Personalmanagements auszeichnen. Wie bist Du eigentlich in deinen Bereich gekommen?
Helge:
Durch ein Missverständnis. Ich komme aus der Kommunikation und habe lange als Berater gearbeitet. Vor rund zwölf Jahren habe ich mir die Prognosen zum Fachkräftemangel angeschaut und mich dann Schritt für Schritt HR angenähert. Durch Bloggen, Austausch auf Social Media und auf Veranstaltungen. Inhaltliche Berührungspunkte gab es vor allem durch Employer Branding - ein Thema, das ja auch heute noch oft von der Unternehmenskommunikation abgedeckt wird.
Meine Erwartung war, dass sich hier ein Markt auftun würde. Falsch gedacht. HR fand Employer Branding zwar immer irgendwie wichtig, aber erst jetzt, in 2022, steht dieses Thema wirklich flächendeckend oben auf der Agenda. Ich fand die HR-Welt aber so faszinierend, dass ich meinen beruflichen Schwerpunkt hierhin verlegt habe. Und ich bin von der Beratung in den Journalismus gewechselt. Beides waren richtige Entscheidungen.
Peter: Kannst Du meinen Lesern und Leserinnen etwas zur Entstehungsgeschichte des HR Journals sagen? Wie bist Du auf die Idee zu diesem Format gekommen?
Helge:
Da kam so einiges zusammen - und dann war auf einmal das HR Journal da. Gestartet bin ich im Frühjahr 2020. Da gab es den ersten Lockdown. Auf einmal hatte ich sehr viel Zeit, denn Aufträge gab es recht wenige. Ich habe letztlich dann aus dem Bauch heraus agiert und gesagt: Jetzt mache ich das, was ich schon lange tun wollte - und ich mache es spielerisch. Aufbauen war immer mein Ding, Netzwerken auch. In der Corona-Zeit war alles offen - und es erschien auch alles möglich.
Also: Einfach machen und die eigenen Vorstellungen verwirklichen. Allerdings fand ich damals auch, dass in der Welt der HR-Fachmedien durchaus noch Platz für ein neues Magazin ist. Vor allem online. Es hat geklappt. Mittlerweile schreiben für das HR Journal über 200 Gastautorinnen und -Autoren. Die monatlichen Besucherzahlen nähern sich den 25.000 an.
Peter: Gibt es so etwas wie eine thematische Entwicklungslinie? Wie haben sich ggf. die thematischen Schwerpunkte seit der Gründung entwickelt?
Helge:
Ich hatte die inhaltlichen Schwerpunkte im Employer Branding, Recruiting und Personalmarketing gesehen. Das war meine Komfortzone. Sehr schnell habe ich festgestellt, dass die Pandemie für HR grundlegende Veränderungen bedeutet. Recruiting war in 2020 nur begrenzt relevant. Stattdessen war HR auf einmal im Driver Seat in den Unternehmen, musste agieren. Führung musste neu gedacht werden, liebevoll gehegte Glaubenssätze gingen dabei zügig über Bord. Etwa der, dass nur eine Präsenzkultur effektives Arbeiten ermöglicht.
Sprich: Im HR Journal dreht sich momentan sehr viel um Führung / Leadership. Das wird auch so bleiben, trotz der Entwicklung auf dem Stellenmarkt. Lediglich an Recruiting-Stellschrauben zu drehen, das wird grundlegende Personalprobleme in den Unternehmen nicht lösen.
Peter: Durch die Auswahl der Beiträge bestimmst Du ja diese Entwicklung auch mit. Nach welchen Kriterien wählst Du die Beiträge aus?
Helge:
Erkenntnisgewinn für die Leserinnen und Leser. Die Beiträge sollen zum Nachdenken und zur Diskussion anregen, oder auf ganz konkrete Problemstellungen eingehen. Sie sollen aktuelle Entwicklungen in HR begleiten und Fachdiskussionen bereichern. Im Idealfall tun sie das. Und: Was in 2020 thematisch als superaktuell galt, wird heute eventuell im HR Journal nicht mehr publiziert. Dafür sind die Entwicklungen in HR viel zu dynamisch. Journalistische Kriterien spielen auch eine Rolle, wie etwa verständlich geschriebene Texte, die weitgehend werbefrei sind.
Peter: Die Beiträge im HR Journal sind mMn auch Indikatoren für die Schwerpunkte der Personalarbeit. Welche Beiträge bzw. welche Themenfelder finden hier die größte Aufmerksamkeit?
Helge:
Das lässt sich nicht auf einen Themenbereich reduzieren. Beiträge, die sich explizit an Führungskräfte richten, laufen sehr gut. Auch Beiträge, die neue Aspekte aufgreifen oder eine kritische These formulieren. Über die Monate hat sich abgezeichnet, wer zur Stammleserschaft des HR Journal zählt. Es sind erfreulich viele HR-Expertinnen und -Experten, und zwar vornehmlich solche mit Berufserfahrung. Der größte Anteil sind Menschen mit Führungsverantwortung.
Peter: Wird es hier zu Veränderungen kommen? Oder anders gefragt. Was sind aus Deiner Sicht die wichtigsten Themen in den nächsten Monaten?
Helge:
Der zweite Lockdown im Herbst 2020 hat Veränderungen zementiert, die unumkehrbar sind. Auch die "Great Resignation" hatte sich bereits zu dieser Zeit abgezeichnet. Momentan sind die Unternehmen dabei, diese Veränderungen "abzuarbeiten". Ich denke, dass eine Lockerung der Einschränkungen der Corona-Zeit den Handlungsdruck erhöhen wird. Dies betrifft die digitale Transformation. Vor allem aber betrifft es Fragen der Führung, der Kommunikation in den Unternehmen (dazu gleich mehr), der Kollaboration.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich weiter verschärfen. Nicht zuletzt Talent Management und Employer Branding werden oben auf der Unternehmensagenda stehen. Stichwort Personalbindung: Jetzt müssen sich die Unternehmen damit konsequent befassen, nicht nur darüber reden.
Wirklich spannend finde ich, wie sich unsere Gesellschaft nach der Lockerung der Einschränkungen entwickeln wird. Für uns alle sind Dinge selbstverständlich geworden, die vor zwei Jahren undenkbar waren. Auf einmal eröffnen sich uns Möglichkeiten, die vorher undenkbar waren. Mit "uns" meine ich hier auch die Unternehmen. Jetzt ist die Zeit der kreativen Brainstormings, am besten an sonnigen Tagen in vorfrühlingshafter Stimmung. Es könnte eine Zeit des Aufbruchs werden.
Peter: HR lebt von einer erfolgreichen Kommunikation nicht nur beim Employer Branding und Recruiting, sondern zunehmend auch durch die verstärkte Kommunikation mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich häufig im Homeoffice befinden oder mobil unterwegs sind. Wie kann hier Kommunikation für ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Miteinanders sorgen?
Helge:
Kommunikation war schon immer wichtig, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern. Durch Social Media haben sich die Kanäle vervielfacht - und die Art der Kommunikation. Diese war nicht mehr eingleisig. Mitarbeitende konnten ohne großen Aufwand Feedback geben, in den Dialog treten. Die Pandemie hat die Anforderungen an Führungskräfte und HR drastisch erhöht. Hier wird es in diesem Jahr wirklich spannend, denn die bisherige Kommunikation der Unternehmen wird nicht mehr ausreichen, um die Teams motiviert und produktiv zu halten.
Führungskräfte und HR sind in der Pflicht, Transparenz zu schaffen. Das ist anspruchsvoll genug, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Kommunikation wird einerseits breit streuen, das ist das alte Modell. Andererseits wird sie aber höchst individuell die Bedürfnisse der Menschen bedienen müssen. Digitale Tools gibt es genug. Nur: Nicht alles kann in der Kommunikation digitalisiert werden, das hat die Corona-Zeit gezeigt. Der persönliche Kontakt zählt, das persönliche Treffen. Nicht nur innerhalb des Teams, sondern auch mit den Führungskräften.
Was kann HR tun? Führungskräfte sowie HR sollten sich in die Schuhe der im Homeoffice arbeitenden Menschen stellen und deren Situation mit ihren Augen sehen. Das sollte nicht allzu schwer fallen. Und: Die Top-Down-Zeiten sind vorbei. Mitarbeitende sollten ermuntert werden, ihre Wünsche an die Kommunikation zu äußern und diese mitzugestalten. Und schließlich kann HR im Verbund mit anderen Bereichen im Unternehmen vorgehen. Hier sehe ich unter anderem die Unternehmenskommunikation.
Peter: Offen gesagt, halte ich die kommunikativen Fähigkeiten der meisten Personaler für ausbaufähig. Hast Du vielleicht Tipps, auch für meine Studierenden, wie hier deutliche Verbesserungen erreicht werden können?
Helge:
Kommuniziert doch endlich! HR muss sich das oft anhören. Ich würde hier gerne den Druck herausnehmen. Es ist ja nicht so, dass Kommunikationsprofis immer den Weitblick in ihrem Metier haben - und mit Kommunikation tun auch sie sich gelegentlich recht schwer. Interne Kommunikation galt in der PR lange als nicht wirklich wichtig und ein Job dort als Karrierebremse. Das hat sich seit 2020 geändert. HR ist also nicht allein mit dem Umdenken. Was also liegt näher, als enger mit der Unternehmenskommunikation zusammen zu arbeiten? Beide müssen sich verändern. Und dann sich gegenseitig die Ideen zuspielen, neue Möglichkeiten der Kommunikation austesten. Jetzt ist die richtige Zeit für Experimente. Zuhören und den Menschen Fragen stellen, das finde ich in der Nach-Corona-Zeit besonders wichtig. So einige Unternehmen machen momentan genau das, sowohl die Führungsebene als auch HR. Also: Raus aus der Komfortzone, es gibt keine bessere Zeit dazu als jetzt.
Peter: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Dir und deinem Baby, dem HR-Journal“, weiterhin eine geneigte Leserschaft mit offenen Ohren.
Helge: Vielen Dank zurück für die guten Wünsche und die Gelegenheit zu Interview. Anregungen aus der Leserschaft sind beim HR Journal sehr willkommen. Uns allen wünsche ich, dass bald wieder der HR Innovation Day stattfindet.
Mein Gesprächspartner Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg. Er hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Politikwissenschaft, Geschichte und Strafrecht/Kriminologie studiert. Er war lange in der Kommunikation tätig, und hat in der Politik, in Beratungsunternehmen und NGOs sowie für internationale Organisationen gearbeitet. Vor etwa zehn Jahren wechselte er in den Journalismus. Zuletzt war er für den Human Resources Manager tätig. Seit 2020 verantwortet er das neue Medium HR Journal, mit dem er sich insbesondere an die HR-Community, aber auch an Führungspersonen wendet.