Ein Gespräch mit Jan C. Weilbacher von changement!
Mein Gesprächspartner im nachfolgenden Interview ist Jan C. Weilbacher, den ich seit vielen Jahren kenne und als Gesprächspartner und Impulsgeber schätze. Seit mehr als zehn Jahren setzt er sich mit Personalthemen auseinander. Zuerst als Chefredakteur eines Magazins für Personalmanagement und anschließend als Berater der bekannten Transformationsberatung HRpepper. Seit 2019 ist er zusätzlich Chefredakteur von changement! - einem neuen Magazin, das sich in besonderer Weise dem Themenfeld „Transformation und Change Management“ verschrieben hat. Da die Beiträge in diesem Magazin sehr anwendungs- bzw. praxisorientiert sind, wird mMn damit auch eine wichtige Lücke in den Angeboten zu diesen Themen geschlossen. Jan C. Weilbacher ist auch – was ich bekanntermaßen sehr schätze – sehr aktiv in den sozialen Medien und darüber hinaus Autor eines interessanten Buches mit dem Titel „Human Collaboration Management“. In diesem Buch widmet er sich den zunehmend wichtigeren Aufgaben des Personalmanagements als Berater und Gestalter einer vernetzten Arbeitswelt. Zu den Themen dieses Buches wird er oft zu Events als Speaker eingeladen. Aber genug der Einleitung, hier folgt das Interview.
Wald: Lieber Herr Weilbacher, bereits an dieser Stelle ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen.
Weilbacher: Sehr gerne, lieber Herr Wald. Vielen Dank für die Einladung.
Wald: Als ich den Teasertext geschrieben habe, fiel mir wieder auf, wie umfassend Ihr Aufgabenfeld und die Ergebnisse Ihrer Arbeit sind. Deshalb kurz gefragt: Wie schaffen Sie dies alles? Setzen Sie hier ggf. Prioritäten?
Weilbacher: Und dabei haben Sie noch nicht erwähnt, dass ich Vater von drei Söhnen bin. Zwei Jobs und Familienleben zu vereinbaren, ist in der Tat nicht einfach. Die Strategie ist, klare Korridore zu setzen, in denen ich mich jeweils einem Bereich widme, und nicht zu viel gleichzeitig zu machen. Aber das gelingt natürlich nicht immer, weil sich nicht alles planen lässt. Man muss insgesamt einen gewissen Pragmatismus und Flexibilität mitbringen sowie auch mal Fünfe gerade sein lassen können.
Wald: Die letzten Monate haben eine Reihe sehr widersprüchlicher Entwicklungen mit sich gebracht. Einerseits hat die Pandemie viele Entwicklungen - hier vor allem die Digitalisierung - deutlich beschleunigt, andererseits sind aber auch viele Entwicklungen gebremst worden. Wie sehen Sie dies aus Sicht des Change Managements?
Weilbacher: Sowohl als Berater als auch als Journalist für Change Management bin ich zunächst einmal wirklich erstaunt, welche immensen Veränderungen man in den Unternehmen aufgrund von Corona beobachten kann. Es ist ja nicht nur so, dass die meisten Unternehmen sich wirklich gut auf Remote Work eingestellt haben. Die Geschwindigkeit, in der das im Frühling passierte, war beeindruckend. Mussten früher noch unzählige Konzepte geschrieben und Verhandlungen geführt werden, ging dieser enorme Wandel aufgrund der Pandemie innerhalb von Tagen und Wochen. Auch Betriebsvereinbarungen zum mobilen Arbeiten wurden in hohem Tempo abgeschlossen. Einiges von dieser Flexibilität und Schnelligkeit wird bei zukünftigen Change-Vorhaben bleiben bzw. wird es eine entsprechende Erwartung geben. Ich beobachte auch starke kulturelle Veränderungen durch Corona und aufgrund des hybriden Arbeitens. Führungskräfte müssen mehr vertrauen und es wird kollaborativer zusammengearbeitet. Manche Unternehmen nutzen den Anlass Corona ganz bewusst für Kulturinitiativen. Und ich denke, dass die Möglichkeiten der digitalen Tools einen enormen Anteil daran haben. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite sind die strukturellen Veränderungen bzw. die Workforce Transformation. Der Personalumbau bzw. abbau und an manchen Stellen -aufbau hat durch Corona Fahrt aufgenommen. Aber es gibt natürlich auch Entwicklungen, die gebremst wurden, wie Sie sagen. Investitionen in Employer Branding und in die Personalentwicklung gehören für mich zum Beispiel dazu oder die ganze Debatte rund um Purpose.
Wald: Im Rahmen der Augustausgabe von changement! gab es eine Reihe von Beiträgen und Aussagen zur weiteren Entwicklung der Personalarbeit sowie zur Rolle von HR in der digitalen Transformation. Was sind hier aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aussagen?
Weilbacher: Unterm Strich geht es heute um dieselbe Frage wie vor zehn Jahren: Wie gelingt es der HR-Funktion, wirklichen Mehrwert für das Business und die ganze Organisation zu stiften? Um diese Frage dreht sich jeder Ansatz zur Personalarbeit und jedes Organisationsmodell, die von den Unternehmen ausprobiert werden. Wir sehen diesbezüglich bei mehr und mehr Unternehmen die Bereitschaft zur Transformation und zu innovativen Ansätzen. Wer hätte Gedacht, dass der Personalbereich der Commerzbank innerhalb des Unternehmens Pionier des agilen Arbeitens ist. Und die haben sich getraut, 2018 mit ihrer internen HR-Plattform Companion als Minimum Viable Product live zu gehen. Das wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Oder Bayer hat sein Performance-Management-Ansatz zusammen mit den Mitarbeiter*innen co-kreativ entwickelt. Insgesamt zeigt sich in dieser Ausgabe, dass es immer mehr den Willen der Personaler gibt, nutzerzentriert zu arbeiten und auch die Strukturen entsprechend auszurichten. Eine weitere wichtige Aussage: In Bezug auf die Digitale Transformation kommt HR eine wichtige Rolle zu, schließlich hat die Digitale Transformation eine starke kulturelle Dimension und geht es um entsprechende Kompetenzen. Vor allem aber dreht sich viel um eine gute Zusammenarbeit – sowohl in Teams als auch bereichsübergreifend. Hier gibt es oftmals noch eine Lücke in den Organisationen, die HR füllen könnte.
Wald: In Ihrer Kolumne zu dieser Ausgabe haben Sie die Experten-Rolle hervorgehoben, die HR gern einnimmt, die jedoch mit sich bringt, dass Prozesse und Lösungen nur in geringem Maße den Vorstellungen der Mitarbeitenden und Führungskräfte entsprechen. Was können Personaler hier in Zukunft tun, um dies nachhaltig zu ändern?
Weilbacher: Es ist natürlich nicht schlimm, Experte zu sein. Aber sehr oft schwingt da was von Elfenbeinturm mit und einer arroganten Haltung, die darin mündet, dass man andere nicht fragen muss, weil man alles besser weiß. Dabei ist heutzutage Offenheit und Vernetzung so wichtig, gerade weil HR es allein nicht richten kann. Es gilt, zum einen zu verstehen, dass Personalarbeit nicht nur Sache der Personaler ist, sondern auch von Führungskräften und Mitarbeiter*innen gestaltet wird. Und zum anderen soll Personalarbeit, soll die Gestaltung von Prozesse und Lösungen nicht nur Selbstzweck sein, sondern sie sollen einen Nutzen stiften, zum Beispiel Zusammenarbeit und Leistungen zu verbessern. Deshalb muss auch HR die Nutzer, also Führungskräfte und Mitarbeiter*innen, in irgendeiner Form in die Gestaltung der Personalprozesse und -instrumente einbeziehen.
Wald: Können dabei Ansätze wie Employee Experience helfen, das Personalmanagement besser auch die Erwartungen der Mitarbeitenden auszurichten?
Weilbacher: Ob es genau Employee Experience sein muss, weiß ich nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass Empathie und die Fähigkeit, die Dinge aus der Perspektive der Nutzer*innen zu betrachten, ein wesentlicher Punkt sind. Ich habe Personaler*innen erlebt, die sind noch nie auf die Idee gekommen, im Rahmen ihrer Arbeit die Führungskräfte und Mitarbeiter*innen zu fragen bzw. mit ihnen das Gespräch zu suchen. Diese Nähe zum Business, die Fähigkeit und der Wille zur Vernetzung und zur Kommunikation, die Bereitschaft sich zu öffnen und die Perspektive des Business in die Gestaltung der Personalprodukte einzubeziehen, ist der Weg zum Erfolg für HR.
Wald: Der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und der weiteren Entwicklung des Personalmanagements ist mMn deutlich erkennbar. Eine Studie des Lehrstuhls für Personalwirtschaft und Business Governance an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigt jedoch, dass viele Personalbereiche noch nicht einmal mit der Digitalisierung begonnen haben. Was muss hier passieren?
Weilbacher: Der Grad der Digitalisierung ist sehr unterschiedlich in den Personalbereichen. Auch hier kann ich nur sagen, dass die Offenheit und die Neugierde für Digitalisierungsthemen die wichtigste Voraussetzung sind. Oftmals hilft da auch der zusätzliche Druck des CEOs bzw. der Geschäftsführung, doch endlich mal auf diesem Gebiet voranzukommen. Die Entwicklung im Bereich der digitalen Lösungen, der Plattformen und Tools macht es HR ja auch mittlerweile sehr leicht – gerade in kleinen Unternehmen. So vieles funktioniert heute gut über cloud-basierte Software.
Wald: Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit den Möglichkeiten digitaler Mitarbeiterführung und Zusammenarbeit. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht eine moderne Führung dar? Müssen wir uns von klassischen Führungsmodellen verabschieden oder sind diese nach wie vor anwendbar?
Weilbacher: Meiner Beobachtung nach hat sich im Bereich der Führungsmodelle und -ansätze in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wenig geändert – wenn man mal von Begrifflichkeiten absieht. Ein Ansatz wie beispielsweise Agile Leadership basiert stark auf Servant Leadership und diese Idee ist schon 30 Jahre alt. Oder nehmen Sie die Transformationale Führung, die oft mit New Work in Verbindung gebracht wird. Die hat ihren Anfang in den 1980er Jahren genommen. Natürlich verändert die zunehmende Digitalisierung und das mobile Arbeiten die Führung. Und ich meine auch zu erkennen, dass Führung heutzutage nicht mehr unbedingt mit Hierarchie gleichgesetzt wird. Aber egal ob wir mehr Agilität, Digitalisierung und Komplexität haben: Am Ende geht es um gute Führung und es geht um eine Beziehung zwischen zwei mündigen Menschen.
Wald: Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Entwicklungen auf die wir uns in HR und beim Change Management im Jahr 2021 einstellen müssen?
Weilbacher: Mir fällt es schwer, dabei nicht an Corona zu denken. Ich bin mir sicher, dass das Thema uns mindestens das erste Halbjahr vollumfänglich beschäftigen wird – mit allen Implikationen für Führung, Zusammenarbeit, Tools, Betriebsvereinbarungen, Vergütung, Kommunikation und natürlich auch in Bezug auf das Gestalten von Veränderungen, insbesondere hinsichtlich Restrukturierungen und des sogenannten „New Way of Working“. Mein Gefühl sagt mir, dass wir in dieser Zeit darauf achten müssen, miteinander gut in Beziehung zu bleiben und zu schauen, wie es dem anderen geht. Ich sehe auf LinkedIn immer so viele Erfolgsgeschichten und Gute-Laune-Teambilder und ich frage mich, ob dabei auch noch Platz in den Organisationen für die Menschen ist, denen es gerade nicht so gut geht. Denn diese Corona-Zeit ist für einige verdammt hart.
Wald: Wird sich dies in den Schwerpunkten bzw. Themen von Changement! in den nächsten Monaten wiederfinden?
Weilbacher: Corona spielt – zumindest indirekt – immer eine Rolle momentan.
Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich wünsche Ihnen bei allen Aufgaben und natürlich auch für changement! viele Erfolge und eine immer geneigte Leserschaft.
Weilbacher: Ich danke Ihnen. Und Ihnen wünsche ich viel Spaß und Wirksamkeit bei Lehre und Forschung in Leipzig.
Mein Gesprächspartner Jan C. Weilbacher ist Kommunikationsexperte sowie Organisationsberater und war sieben Jahre lang Chefredakteur des Fachmagazins „Human Resources Manager". 2017 wechselte er zu der Transformationsberatung HRpepper. Seine Schwerpunkte in der Beratung sind Themen der Personalentwicklung und der Change Communication. Seit 2019 ist er zusätzlich noch Chefredakteur des Magazins changement!, das für die Handelsblatt Media Group herausgegeben wird. Jan C. Weilbacher ist Vater von drei Söhnen und lebt in Berlin.