Die Zusammenarbeit mit digitalen Hilfsmitteln stellt viele Mitarbeiter und Führungskräfte vor neue und zum Teil ungeahnte Herausforderungen, um im "Homeoffice" zu bestehen.
Die derzeitige Situation zeigt es mit aller Schärfe: An digital gestützter Führung und Zusammenarbeit führt kein Weg vorbei. So werden Google und Facebook die Arbeit im Homeoffice für die meisten Mitarbeiter bis zum Ende des Jahres ermöglichen. Auch im öffentlichen Sektor gibt es Bewegung. So wählt in Rostock der Oberbürgermeister auch diesen Weg für die Mitarbeiter. Die jetzt in weiten Teilen nötige Zusammenarbeit mit digitalen Hilfsmitteln stellt jedoch viele Mitarbeiter und Führungskräfte vor neue und zum Teil ungeahnte Herausforderungen. Um diese zu bewältigen gibt es derzeit eine nahezu unüberschaubare Menge an Hinweisen und Tipps unter der Überschrift „Homeoffice“. Aus meiner Sicht verdecken diese Hinweise die vorhandenen Defizite, was Kenntnisse zur Digitalisierung im Allgemeinen und den beim Umgang mit digitalen Werkzeugen im Besonderen betrifft. Ich teile die Meinung von Experten, die davon ausgehen, dass diese Defizite langfristig sogar zum Hemmschuh einer gezielten Digitalisierung werden können. Was hier aus meiner Sicht zählt, sind weniger Appelle oder allgemeine Hinweise, sondern konkrete und vor allem handhabbare Möglichkeiten zur Aneignung digitaler Kompetenzen.
In diesem Zusammenhang bin ich vor wenigen Tagen auf eine App gestoßen, die frischen Wind in die Vermittlung digitaler Fähigkeiten bringen kann. Nach einem ersten kurzen Test der Digital Fitness App bin ich auf den Anbieter - PwC - zugegangen und freue mich, dass ich heute an den Verantwortlichen, Herrn Rusbeh Hashemian, einige Fragen richten kann.
Wald: Glückwunsch zu dieser interessanten App. Ich freue mich sehr, dass Sie Zeit für dieses Interview gefunden haben.
Hashemian: Vielen Dank für die Einladung. Wir sind stolz darauf in dieser Zeit weltweit vielen Menschen ein bisschen Ablenkung zu schenken. Jeder der die Digital Fitness App nutzt, investiert damit spielerisch in das Wichtigste was er hat: seine digitale Zukunft.
Wald: Könnten Sie etwas zur Entstehungsgeschichte der Digital Fitness App sagen? Wie ist die Idee – auch zum Start mit einem Digitalen Assessment - entstanden?
Hashemian: Wie in jeder Branche, bringt Digitalisierung auch im Beratungs- und Wirtschaftsprüfungssektor viele Herausforderungen, aber auch enorme Chancen mit sich. PwC als eine der größten Professional Services Firmen der Welt hat dabei früh erkannt, dass gezielte Weiterbildung der Schlüssel zum Erfolg ist. Mit Präsenzschulungen, dicken Wälzern oder selbst klassischen Webinaren ist es eben nicht getan. Um Führungskräfte von morgen weiterzubilden, müssen wir verstehen wann, wie und wo sie lernen wollen. Die Digital Fitness App ist also das Resultat einer nutzerzentrierten Produktentwicklung, um zunächst unsere eigenen Mitarbeiter, später die unserer Mandanten und nun jeden interessierten Privatnutzer aufzuschlauen. Als Gesamtfirma investieren wir deswegen drei Milliarden US-Dollar in das Thema Digital Upskilling, um die digitale Transformation für uns und unsere Mandanten nicht zu einem Massensterben von Arbeitsplätzen zu machen, sondern zu einer Möglichkeit sich als Arbeitgeber zukunftsträchtig aufzustellen. All dies beginnt zunächst mit einem Assessment, um herauszufinden, wie digital fit ein Unternehmen oder man selbst als Individualnutzer bereits ist. Die Lerninhalte richten sich dann am Kenntnisstand und den Interessengebieten aus.
Wald: An wen richtet sich die App?
Hashemian: An jede und jeden. Aus meiner Sicht gibt es keine Branche und keinen Bereich des Lebens, der nicht durch digitale Technologie oder Innovation verbessert, verändert oder zumindest beeinflusst wird. Die Digital Fitness App ist für viele Unternehmen dabei der erste Schritt auf einer langen digitalen Transformationsreise.
Wald: Eine wichtige Frage, die ich aber vorsichtig stellen möchte. Wie steht es um die digitale Fitness in den verschiedenen Ländern? Lassen sich hier Muster erkennen?
Hashemian: Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, die sich zum Beispiel im Bereich der Offenheit für Neues widerspiegeln. Ich habe lange in New York gelebt und habe dort eine “Trial and Error”-Kultur kennengelernt, die ich mir manchmal auch hierzulande wünschen würde. Auch viele asiatische Länder innovieren was das Zeug hält, weil sie in digitalen Technologien zurecht ihren Wohlstandsmotor erkennen. Wenngleich Europa in der ersten Halbzeit der Digitalisierung in Rückstand geraten ist, so haben wir trotzdem dank unserer starken Industrie, der exzellenten Ausbildung und den politischen Rahmenbedingungen beste Voraussetzung das Spiel in der zweiten Hälfte noch zu drehen.
Wald: Die vorliegende App ist basiert auf einer englischsprachigen Version. Es ist interessant zu erfahren, wie die ursprüngliche App eingeführt wurde und welche Erfahrungen damit gesammelt wurden. Ich habe in diesem Zusammenhang von 153.000 Nutzern gelesen. Respekt!
Hashemian: Ich denke der Erfolg der App kommt daher, dass wir als Unternehmen nicht nur Anbieter der Lösung sind, sondern selbst auch Nutzer. Bevor wir die Digital Fitness App an den Markt gebracht haben, haben wir sie zunächst intern unseren 250.000 Mitarbeitern weltweit zur Verfügung gestellt und sie damit getestet. Die nutzerzentrierte Entwicklung und die Erfahrungen unserer eigenen Transformationsgeschichte - bei der uns die App wesentlich begleitet hat - sind für mich das Fundament dieses Erfolgs. Zur deutschen Sprachvariante sind wir schließlich erst durch Feedback unserer Mandanten und potentieller Kunden gekommen. Digitalisierung - so hörten wir des Öfteren - sei an sich schon fast überfordernd, dann sollten die Inhalte doch wenigstens in der Muttersprache vermittelt werden. Gesagt, getan: heute gibt es die App nicht mehr nur auf Englisch, sondern auch auf Deutsch.
Wald: Dies weist auf eine hohe Akzeptanz hin. Wie konnte diese erreicht werden? Gibt es konkrete Anwendungsszenarien?
Hashemian: Damit ist es eigentlich wie immer bei der Einführung von neuer Software in Unternehmen: Man darf es nicht einfach über den Zaun werfen. Die Hürden zum Start sind bei der Digital Fitness App zwar denkbar klein (Download im App Store und Registrieren), aber trotzdem ist die interne Unternehmenskommunikation das A und O. Spielerische Anreize und Führungskräfte, die als Vorreiter voran gehen, helfen ungemein, um hohe Nutzungszahlen zu erreichen.
Wald: Mit dem Blick auf die vorliegenden Erfahrungen: Gibt es hier ggf. Dinge, die Sie in Deutschland anders machen werden?
Hashemian: Wir sind in Deutschland nun schon einige Zeit aktiv. Im Vergleich mit anderen Ländern ist hierzulande besonders wichtig, auch den Betriebsrat früh in die Angelegenheit mit einzubinden. Ansonsten lassen wir das Produkt am liebsten für sich selbst sprechen. Hin und wieder müssen wir dank des zweideutigen Namens übrigens noch Aufklärungsarbeit leisten, dass sich die App nicht um den Aufbau von Muskeln dreht, sondern um den Aufbau von Digitalkompetenz.
Wald: Ein Blick auf die Nutzergruppen: Gibt es hier die oft zitierten Unterschiede zwischen den Generationen?
Hashemian: Das erheben wir aus Datenschutzgründen nicht genau, aber davon ist schon auszugehen. Für unsere Mandanten ist ohnehin spannender zu sehen, in welchen Bereichen ein digitaler Mindset ausgeprägt ist, in welcher Abteilung wenig digitale Kompetenz vorhanden ist oder in welchen Business Units bereits digitale Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden. All dies kann erhoben werden und bietet für Manager spannende Einblicke in das Innenleben ihrer digitalen - oder noch nicht so digitalen - Organisation.
Wald: Offensichtlich setzen Sie bei der Nutzung auf Unternehmen? Gibt es auch Überlegungen hier stärker auf Privatnutzer oder auch die Nutzung im Kontext der Ausbildung z. b. an Hochschulen zu setzen?
Hashemian: Das liegt daran, dass wir traditionell im B2B-Bereich tätig sind. Trotzdem gibt es bereits auch Organisationen im Bildungsbereich und im öffentlichen Sektor, die die App nutzen. Wir sind da offen für alle Seiten und freuen uns über jede Schule und Hochschule, die ihren Schülern und Studenten die App zugänglich machen möchte. In den USA haben wir sogar ein umfangreiches Programm zur Weiterbildung von Lehrkräften geschaffen - das wäre in Deutschland sicher auch nicht verkehrt.
Wald: Falls sich die Erfolgsgeschichte in Deutschland fortsetzt – gibt es Pläne was weitere Angebote zur digitalen Fitness angeht?
Hashemian: Auf jeden Fall! Stillstand ist Rückschritt - deshalb arbeiten wir bereits an einer Weiterentwicklung der App, die besonders für Unternehmen noch größere Flexibilität bringen soll. So entwickeln wir derzeit eine übergeordnete Plattform, die beispielsweise noch stärker auf spezifische Fachthemen zugeschnitten werden kann, eine Integration in herkömmliche Learning Management Systeme (LMS) erlaubt und zudem soziale Interaktion zwischen den Nutzern fördern soll.
Wald: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich wünsche Ihnen und der Digital Fitness App viel Erfolg!
Hashemian: Ich bedanke mich - für das Interview und für Ihre Initiativen zur Digitalisierung im HR-Bereich. Alles Gute!
Mein Gesprächspartner Rusbeh Hashemian ist Chef von PwC New Ventures Europe und hat an der Technischen Universität Berlin und der UC Berkeley studiert. Seit 2007 ist er für die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC tätig.