Gespräch mit dem CEO der index-Gruppe Jürgen Grenz
Wieder einmal kann ich einen sehr interessanten Gast zum Interview begrüßen. Es handelt sich um Herrn Jürgen Grenz, CEO der index Gruppe mit Sitz in Berlin. Auf die Stellenmarkt-Daten der index-Gruppe greife ich in den Vorlesungen insbesondere zum Thema Recruiting immer gern zurück, um meinen Studierenden aktuelle Entwicklungen im Recruiting bzw. in der Anzeigenschaltung zu verdeutlichen. Ich freue mich deshalb sehr, Jürgen Grenz, Gründer und einer von zwei Geschäftsführern der index Gruppe, hier als Interviewpartner begrüßen zu dürfen. Mit diesem Gespräch verknüpft sich die Hoffnung, sowohl Einblicke in die Aktivitäten und Ziele der index-Gruppe als auch in aktuelle Entwicklungen am Anzeigen- und Arbeitsmarkt zu erhalten. Aber nun zum Gespräch.
Wald: Lieber Herr Grenz, bereits an dieser Stelle ganz herzlichen Dank, dass ich Sie für dieses Gespräch gewinnen konnte.
Grenz: Sehr gerne, die Freude ist ganz meinerseits.
Wald: Die index-Gruppe liefert Stellenmarkt-Daten, die insbesondere für die weitere Professionalisierung der Recruiting-Aktivitäten der Unternehmen von außerordentlicher Bedeutung sind. Könnten Sie Ihr Unternehmen, die Index-Gruppe, kurz vorstellen?
Grenz: Der index Gruppe wurde 1994 gegründet und beschäftigt heute rund 180 Mitarbeitende. Das Kernprodukt ist index Anzeigedaten, die größte Stellenanzeigen-Datenbank Europas. Wir erfassen und analysieren jährlich rund 50 Millionen Stellenanzeigen in 10 europäischen Ländern. Zum einen recherchieren wir mit speziellen Crawler-Programmen die auf Online-Jobbörsen, Firmenwebsites und Stellenportalen der nationalen Arbeitsämter veröffentlichte Jobinserate. Zum anderen erfassen wir auch die in Printmedien geschalteten Stellenausschreibungen. Personaldienstleister finden in unserer Stellenanzeigen-Datenbank index Anzeigendaten mit wenigen Klicks passende Stellen für ihre Kandidaten. Verlage und Jobbörsen bekommen einen guten Überblick über personalsuchende Firmen und können diese gezielt als Anzeigenkunden gewinnen. Somit ist index Anzeigendaten Teil des Vertriebssystems. Ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehört index Research. Die Personalmarktforschung analysiert Trends am Arbeits- und Stellenmarkt, den Erfolg von Stellenanzeigen und unternehmensspezifische Fragestellungen im Personalbereich. Hinzu kommt eine auf Employer Branding und Personalmarketing spezialisierte Agentur. Unser jüngster Geschäftsbereich ist der digitale, KI-basierte Outplacement-Service Talent Placement.
Wald: Ich kann hier auch mit einem guten Beispiel zur Nutzung der Stellenmarkt-Daten von index aufwarten. Mithilfe von Informationen aus dem index Recruiting-Report 2022 habe ich Änderungen bei den Recruiting-Schwerpunkten erkennen und umsetzen können. Dies betraf vor allem die nach wie vor stabile Rolle der Stellenbörsen, aber auch die wachsende Bedeutung von Social Media. Diese Erkenntnisse korrespondieren mit eigenen Studien. Meine Frage dazu ist. Welche Schwerpunkte sehen Sie bei der Nutzung der sozialen Medien im Recruiting?
Grenz: Die Ergebnisse des index Recruiting Report 2022, für den wir allein in Deutschland 568 HR-Verantwortliche aus Unternehmen aller Branchen und Größen befragt haben, sprechen eine deutliche Sprache: Für 73 % der Befragten sind die sozialen Medien in der Personalgewinnung mittlerweile genauso wichtig wie die klassischen Jobbörsen. Über 56 % halten Social Recruiting sogar für den wichtigsten Trend im Personalmarketing. Den perfekten Social-Media-Kanal für das Recruiting gibt es nicht. Wie im Personalmarketing allgemein gilt auch bei Social-Media-Recruiting: Arbeitgeber sollten sich auf Kanäle konzentrieren, auf denen die gesuchten Fachkräfte privat unterwegs sind. Bei der Wahl der Plattformen können sie sich unter anderem am Alter und Bildungsstand ihrer Zielgruppe orientieren. Die sogenannten White-Collar-Berufe finden personalsuchende Unternehmen gut auf den Karriereportalen Xing und Linkedin. Über Facebook werden aktuell eher ältere Menschen erreicht, im mittleren Segment kann auf Instagram gesetzt werden. Bei der Suche nach Auszubildenden und anderen Nachwuchskräften unter 35 führt an TikTok kein Weg vorbei. Das Recruiting auf der aufstrebenden Video-Plattform steckt zwar noch in den Kinderschuhen, birgt aber aufgrund der beeindruckenden Nutzerzahlen enormes Potenzial. Ob das ebenfalls gehypte Metaverse zukünftig eine Rolle in der Personalgewinnung spielen wird, bleibt abzuwarten.
Wald: Mit großem Interesse habe ich Ihre letzte Studie gelesen, in der Sie die 10 Top-Soft-Skills in Stellenanzeigen präsentiert haben. Gerade über die sozialen Kompetenzen wird in den Unternehmen, aber auch bei meinen Studierenden, häufig gesprochen. Welche Soft Skills wünschen sich Unternehmen von Bewerbern?
Grenz: Den mit Abstand größten Wert legen Unternehmen auf Teamfähigkeit. Diese Soft Skills stand von Oktober 2021 bis Oktober 2022 im Anforderungsprofil von über 7,3 Millionen Stellenanzeigen. Selbstständigkeit und Kommunikationsfähigkeit nannten Arbeitgeber im selben Zeitraum in rund 5,7 bzw. 4 Millionen Stellenausschreibungen. Fast genauso wichtig war personalsuchenden Firmen Zuverlässigkeit, die in mehr als 3,9 Millionen Jobinseraten genannt wurde. Soft Skills gewinnen gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung im Arbeitsleben an Bedeutung. So arbeiten heutzutage beispielsweise bei der Entwicklung und Produktion moderner Technologien Menschen mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen zusammen. Oft kommen sie aus verschiedenen Abteilungen, Firmen oder sogar Standorten. In solchen Konstellationen hängt der Erfolg maßgeblich von der Teamfähigkeit und anderen sozialen Kompetenzen der Beteiligten ab.
Wald: Sehr oft tauchen in meinen Lehrveranstaltungen und bei Kontakten mit Praxispartnern Fragen nach den konkreten Marktanteilen der Jobbörsen bei Stellenanzeigen auf. Können Sie dazu Aussagen treffen?
Grenz: Eine Antwort auf diese Frage ist sehr schwer, weil es darauf ankommt, wie man den „Markt“ definiert. Gerade bei digitalen Produkten können Zahlen leicht beeinflusst werden, beispielsweise kann ein reiner Crawler sehr schnell auf eine hohe Anzahl an Stellenanzeigen kommen, während er in der Sichtbarkeit von Stellensuchenden oder als Werbeplattform für zahlende Unternehmen keine Rolle spielt. Hinsichtlich der Sichtbarkeit im Markt, d. h. dem Traffic auf den Stellenanzeigen, können wir keine Aussagen machen. Hinsichtlich der Bruttoumsätze mit der Anzahl an bezahlten Stellenanzeigen schätzen wir, dass auf die etablierten allgemeinen Plattformen wie StepStone, indeed, Monster, Jobware, Stellenanzeigen.de oder MeineStadt rund 40 Prozent der Investitionen in die Anzeigenschaltung im Gesamtmarkt entfallen. Die Umsätze der einzelnen Jobbörsen können aufgrund unterschiedlichster Rabattkonditionen aktuell nicht seriös geschätzt werden, sicherlich liegen hier StepStone und indeed vorne.
Wald: Mit großem Interesse habe ich auch gelesen, dass Sie mit dem Forschungsprojekt ITB-MINT an der Identifikation von Trends und der Prognose von Berufskompetenzen im Bereich MINT beteiligt sind. Gibt es hier bereits erste Ergebnisse?
Grenz: Unsere Zielsetzung war, Prognosen über die Entwicklung von Berufskompetenzen, insbesondere der technologischen IT-Skills, zu erstellen. Hier konnten wir für einen Zeitraum von ca. neun Monaten eine sehr gute Vorhersagegenauigkeit für die Entwicklung von IT-Technologien wie Java, PHP oder Python erreichen. Insbesondere bei neuen, noch nicht so weit verbreiteten Technologien war jedoch die vorhandene Datenbasis – wir hatten uns seinerzeit auf den deutschsprachigen Markt konzentriert – für eine fundierte Prognose über einen längeren Zeitraum noch nicht ausreichend genug. Wir planen daher, diese Arbeiten unter Einbeziehung von Stellenanzeigen aus mehreren Ländern fortzuführen.
Wald: Mich interessieren auch sehr die Ziele der index-Gruppe in den nächsten Jahren? Was können Sie dazu sagen?
Grenz: index versteht sich als B2B-Partner für Personalprofis. Wir möchten unsere Kunden deshalb in den nächsten Jahren noch besser bei ihrer Arbeit unterstützen. Durch Kooperationen mit wissenschaftlichen Forschungsinstituten werden wir unser Vertriebssystem index Anzeigendaten weiter optimieren. Unternehmen und öffentliche Einrichtungen wollen wir vor allem mit datenbasiertem Employer Branding gezielter als attraktive Arbeitgeber in Szene setzen. Auch bei unserem Outplacement-Service Talent-Placement, der auf der Stellensuche im „verdeckten Arbeitsmarkt“ basiert, haben wir Großes vor.
Wald: Ganz herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich darauf, auch in Zukunft meine Fragen an Sie richten zu dürfen.
Grenz: Ich danke Ihnen, Herr Prof. Wald.
Mein Gesprächspartner Jürgen Grenz ist Gründer und einer von zwei Geschäftsführern der Berliner index-Gruppe.