HR-Bashing ist Teil des Spiels
Ich bleibe dabei: Über die Personaler und das HR-Management wird derzeit viel gesprochen - weniger wird mit den Personalern diskutiert. Bei diesen Diskussionen geht es um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Jan C. Weilbacher, Chefredakteur vom Human Resources Manager und HR-Blogger. Bei ihm laufen viele Diskussionsfäden zusammen und er schafft es mit beiden Medien aktuelle Herausforderungen an das Personalmanagement erfolgreich zu thematisieren. Ich danke ihm bereits jetzt für die Beteiligung an dieser Interviewserie und bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:
Weilbacher: Ich bin seit knapp sieben Jahren Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager. Ich habe bei meinem Arbeitgeber Quadriga aber immer wieder auch andere Projekte verantwortet, so bin ich zum Beispiel auch verantwortlich für die Kommunikation über das Collaboration-Tool Slack. Ansonsten mache ich noch eine Weiterbildung zum systemischen Organisationsberater.
Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Weilbacher: Das Magazin richtet sich insbesondere an HR-Manager und es wird für den Bundesverband der Personalmanager herausgegeben. Ich habe also in meiner Position regelmäßig Kontakt zu Personalverantwortlichen. Daneben bin ich auch Angestellter bei einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitern. Ich bekomme also die ganz normale Personalarbeit eines kleinen Unternehmens auch als interner Kunde hautnah mit. ;-)
Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Weilbacher: Bei den externen Beratern ist das Standing sicherlich unterirdisch. Das HR-Bashing ist aber auch Teil des Spiels. Innerhalb der Unternehmen beobachte ich eine wahnsinnige Spannbreite hinsichtlich Wertschöpfungsbeitrag und Professionalität und damit auch Standing. Da gibt’s alles: von Personalern, die nur Lohnbuchhaltung machen oder noch nie etwas von Begriffen wie „Webinar“ gehört haben bis zu denjenigen, die das agile Arbeiten vorantreiben und/oder wichtige strategische Entscheider sind. Manchmal gibt es diese große Spannbreite auch innerhalb eines einzigen Unternehmens. Es sind in der Regel Individuen, die den Unterschied machen. Schauen Sie zum Beispiel auf die Deutsche Bahn. Da gibt es ebenso Personaler, die hierarchieloses Arbeiten bei DB Vertrieb voranbringen und welche, die als träge Polizei-Sheriffs gelten.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Weilbacher: Allgemein gesagt, würde ich vermuten, dass HR häufig zum einen zu sehr auf die Prozesse, die es verantwortet, beharrt und diese Prozesse gleichzeitig in einer dynamischen Welt das Business eher erschweren als es gewinnbringend zu unterstützen. Vielleicht fehlt es manchmal an der Neugierde und der Lust, was auszuprobieren. Zum anderen, und das schließt sich daran an, sind viele Personaler zu weit weg vom Geschäft. Was die Arbeit als Personaler nicht leichter macht.
Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Weilbacher: Prozessual bin ich davon überzeugt, dass das Personalmanagement sich noch mehr öffnen muss. Es muss aktiv der Austausch mit der Linie gesucht werden, die meiner Meinung nach bei der Gestaltung von HR-Instrumenten mitsprechen sollte. Zu häufig bastelt HR an Prozessen im stillen Kämmerlein und lässt es dann von der Geschäftsführung absegnen, ohne dass jemand anderes aus dem Business gefragt wurde, ob es denn tatsächlich hilft. Hinsichtlich der konkreten Angebote und Leistungen ist zurzeit in vielen Unternehmen eine ganze Menge auf dem Prüfstein. Performance Management, Recruiting, Personalentwicklung, Führung – teilweise werden die Angebote vom Kopf auf die Füße gestellt. Oft wäre weniger mehr: weniger Vorgaben, weniger Prozess-Polizei und dafür mehr individuelle Lösungen und mehr Freiraum für das Business und mehr Austausch.
Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Weilbacher: 10 Jahre? Boah.. keine Ahnung. Sicherlich ist es eine Binsenweisheit, dass Technologie und Daten eine größere Rolle spielen werden. Ich versuche es mal mit drei anderen Schwerpunkten. Erstens – und das wurde an dieser Stelle schon gesagt – sehe ich das Personalmanagement stärker als Kultur- und Organisationsgestalter. Zum einen geht es zukünftig stärker um Fragen wie „Wie wollen wir zusammenarbeiten?“ „Und will ich für diese Firma mein Bestes geben? Ist sie es wert?“ Zum anderen wird fast jeder Personalbereich von organisationalen Fragen berührt. Eine Führungskräfteentwicklung ohne sich mit Organisationsentwicklung zu beschäftigen, ist witzlos. HR muss zukünftig noch mehr Organisationsentwickler sein. Zweitens denke ich, dass Personalmanagement in ein paar Jahren noch mehr mit den Mitarbeitern gemeinsam betrieben wird. Und drittens wage ich hier mal die These, dass es in zehn Jahren viel mehr um Gesundheitsthemen gehen wird. Nach Agilität und KI wird Gesundheit (in 10 Jahren) das nächste große Ding ;-)
Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Weilbacher: Strebt keine Laufbahn in HR an, wäre mein Rat. ;-) Damit meine ich nicht, dass es nicht toll ist, im Personalmanagement zu arbeiten. Aber man sollte es nicht alleinig anstreben. Sondern es gilt, offen und neugierig zu sein für viele verschiedene Aufgabenbereiche im Unternehmen und die Zusammenarbeit mit anderen. Die Funktionsgrenzen verschwimmen immer mehr. Und wer heute Erfolg im HR haben will, sollte auch bereit sein, in andere Funktionen zu wechseln. Deshalb sage ich: Strebt eine Karriere als Problemlöser an!
Wald: Lieber Herr Weilbacher, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, zahlreiche neue Ideen und freundliche Partner.