Ideen und Hinweise im Gespräch mit Lisanne Metz und Philipp Schuch
Das nächste Gespräch im Vorfeld des HR Innovation Days 2022 führe ich mit Lisanne Metz und Philipp Schuch. Beide kommen von der gradar GmbH Düsseldorf. Philipp ist Gründer und CEO von gradar, einem Unternehmen, das ein selbst entwickeltes innovatives Stellenbewertungssystem erfolgreich anbietet. Er hat mich schon mehrere Male beim HR Innovation Day unterstützt. Dafür bereits an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank. Mit seinen Beiträgen 2015, 2016 und 2018 hat er sich den Themen Equal Pay und Stellenbewertung aber auch der Evidenzorientierung im Personalmanagement gewidmet und wird in diesem Jahr gemeinsam mit Lisanne Metz einen Workshop mit dem Titel „Equal Pay – Seid ihr bereit?“ anbieten. Verständlicherweise drängen sich mir bei diesem Thema einige Fragen auf, die ich in diesem Gespräch unbedingt loswerden möchte.
Peter: Vornweg herzlichen Dank, dass Du mich erneut - nach der langen Corona-Pause - beim HR Innovation Day unterstützt. Und auch vielen Dank für den Input in einer meiner Vorlesungen zum Themenbereich Entgeltmanagement.
Philipp: Jederzeit, Peter. Mir liegt der HR Innovation Day am Herzen und auch die Arbeit mit Schüler:innen und Studierenden bereitet mir viel Freude. An meiner alten Schule werde ich z.B. nächstes Jahr als Wirtschaftsexperte die Gründung eines Schüler-Unternehmens unterstützen.
Lisanne: Mir geht es genauso. Ich werde deswegen auch bald mit der Arbeit an der gradar Academy beginnen, die das Ziel haben wird HR`lern und Interessierten das Thema Vergütung näher zu bringen und diese zu “enablen”. Unsere Kurse (sobald diese fertig sind) stellen wir dann deinen Studierenden gerne kostenlos zur Verfügung.
Peter: Was mich erst einmal besonders interessiert: Wie ist es Dir und Gradar in den letzten Jahren ergangen, lieber Philipp?
Philipp: Sehr gut. Wir sind in den letzten Jahren enorm gewachsen. Inzwischen haben wir Tochtergesellschaften in Großbritannien und den Vereinigten Staaten und arbeiten mit zwei afrikanischen Regierungen zusammen, um deren Grading-Systeme online zu bringen. Das ist irgendwie verrückt, wenn man bedenkt, dass wir noch nicht mal ein eigenes Büro haben. ????Darüber hinaus haben wir auch unser Tool umfassend weiterentwickelt. Inzwischen können wir neben der Stellenbewertung auch verschiedene Echtzeit-Vergütungsanalysen durchführen und bei der Entwicklung von Gehaltsbändern & Co unterstützen.
Lisanne: Besonders möchte ich die Fähigkeiten im Bereich der Gender Pay Gap Analyse hervorheben. Diese erleichtert Unternehmen, das Thema Entgeltgerechtigkeit im eigenen Unternehmen zu implementieren. Aber dazu am HR Innovation Day auch mehr.
Peter: Das Thema Equal Pay stand bereits im Mittelpunkt Deines Beitrags zum HR Innovation Day 2015. Warum ist dies immer noch aktuell? Oder anders gefragt, warum geht es hier so langsam voran? Hatten wir nicht in der Zwischenzeit die Einführung des Entgelttransparenzgesetzes?
Philipp: Mehr denn je! Man muss nur gucken, was die Europäische Kommission plant. Da gibt es momentan einen Richtlinien-Entwurf, der Unternehmen dazu bringen soll:
- Lohntransparenz für Arbeitssuchende herzustellen, also Gehälter in Stellenanzeigen zu veröffentlichen,
- ihren Arbeitnehmern Auskunft über das Einkommen ihrer Peers zu geben, die gleiche oder gleichwertige (!) Arbeit leisten,
- über das geschlechtsspezifische Lohngefälle im Unternehmen jährlich Bericht zu erstatten, und
- gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern eine Entgeltbewertung vorzunehmen, wenn der bereinigte Gender Pay Gap >5% ist.
Das EntgeltTransparenzGesetz (EntgTransG) ist dagegen das Papier nicht wert auf dem es gedruckt wurde und hat keines der angedachten Ziele erreicht.
Lisanne: Wir sind das einzige Unternehmen weltweit, das ein Software-Produkt anbietet, das Stellenbewertung, Gender Pay Gap Analyse und Vergütungsstrukturierung vereint, um Unternehmen effektiv bei Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit zu unterstützen.
Andere bieten ihre Tools nur in Kombination mit Beratungsdienstleistungen an. Wir sind uns sicher, dass HRler die Owner des Vergütungsmanagements sein sollten und dabei unabhängig von einer externen Beratung agieren können. Gradar ist somit ein echter "Game Changer" in diesem Bereich und hat das Potenzial, unseren gesamten Markt zu verändern.
Peter: Philipp, Du sprichst in dem Workshop-Titel von Bereitschaft zu Equal Pay. Was meinst Du damit?
Philipp: Bereitschaft hat mit Wollen und Können zu tun, wobei das Können sich noch weiter runterbrechen lässt auf Datenverfügbarkeit i.S. kann ich mit meinen Daten überhaupt etwas auswerten, Ressourcen, i.S. habe ich die Zeit und das Wissen, um den Gender Pay Gap zu analysieren, zu verstehen und mit Hilfe von zielgerichteter Strukturarbeit zu beheben.
Lisanne: Ein Unternehmen muss sich auf den Weg machen, das Thema gesamthaft anzugehen, z.B. basierend auf einer Stellenbewertung. Nur so kann man im Zusammenhang mit weiteren Faktoren, wie Alter, Jobfamilie etc. wirklich feststellen, ob ein Gender Pay Gap vorliegt. Zu den Zusammenhängen hört ihr auch in unserem Workshop mehr.
Peter: 2015 hast Du nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer systematischen Analyse der Datenlagen hingewiesen, „um anstelle von hitziger Polemik“, „die Probleme auf Basis von belegbaren Fakten zu identifizieren und zu lösen.“ Ist dies so passiert?
Lisanne: Das EntgTransG hat jedenfalls nichts zu einer evidenzbasierten Herangehensweise beigetragen. Wir sehen jedoch den Effekt von Diversity, Equity and Inclusion (DE&I) Reporting insb. in Großunternehmen, die sich diesen Themen in den letzten Jahren verstärkt in ihren ESG-Berichten widmen.
Philipp: Wird der Gender Pay Gap dort nicht berichtet, ist dies ein guter Indikator dafür, wie ernst das Unternehmen es mit DE&I meint.
Peter: Was sollte sich hier aus Deiner Sicht ändern?
Philipp: Einführung einer „Gender Pay Gap“ Analyse- und Berichtspflicht ab Unternehmensgröße von 250 Mitarbeitern. Einführung von Stellenbewertung und Gehaltsstrukturen, Angabe von Gehaltsspannen in Stellenanzeigen, sowie Angabe der Anzahl von Unterschreitern und Überschreitern von Vergütungsstrukturen innerhalb des Unternehmens in einem Equal Pay Jahresbericht.
Peter: Was sagen Dir die vorhandenen Daten zur Wirkung des Umgangs mit Equal Pay im europäischen Vergleich?
Philipp: Die Evidenz ist noch begrenzt, aber sie zeigt, dass die Herstellung von Lohntransparenz auf der Mikro-Ebene, also im Unternehmen, vielversprechend ist, um den Gender Pay Gap zu schließen.
Auf der Makro-Ebene helfen insb. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zur Reduzierung der Teilzeitarbeitsquote von Frauen und eine Reduktion des Gender Care Gaps.
Peter: Von wem sollten oder können wir hier lernen?
Lisanne: Frankreich, Großbritannien und Spanien sind uns “Deutschen” weit voraus. Hier gibt es verschiedene gesetzlichen Regelungen, die Unternehmen dazu bringen das Thema Entgelttransparenz weiter zu fördern. Beispielsweise ist in Spanien eine Analyse zum Thema Vergütung und Gender Pay Gap für jedes Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden Pflicht. In Deutschland hingegen haben wir keine zwingende Regelung. Das Entgelttransparenzgesetz gilt als “zahnloser Tiger”.
Peter: Philipp, Du bist ja auch schon mehrere Male als Inputgeber beim HR Innovation Day gewesen, warum kommst Du erneut nach Leipzig?
Philipp: Wegen der guten Leute, der guten Inhalte und dem Networking in einem entspannten Umfeld.
Philipp Schuch gründete im Jahr 2014 das HR-Tech-Startup QPM GmbH. Hier hat er mit seinem Team das Stellenbewertungssystem www.gradar.com entwickelt. Philipp ist zudem Fellow des Center of Evidence Based Management www.cebma.org. Lisanne Metz ist Manager Business Development & Consulting bei gradar und eine erfahrene Stellenbewerterin und Vergütungsmanagerin. Sie arbeitet seit Juni 2022 im gradar Team, mit Philipp arbeitet sie jedoch schon seit 2,5 Jahren zusammen. Die beiden werden sich allerdings erstmalig im Zug nach Leipzig zum HR Innovation Day in persona treffen.