Der HR Innovation Day 2019 kommt mit Riesenschritten näher. Heute führe ich wieder eines der traditionellen Vorab-Interviews. Dafür steht mir diesmal Thomas Zuliani von Loopline zur Verfügung.
 Er wird zum diesjährigen HR Innovation Day einen Workshop zum Thema „Transparenz und Feedback statt Blindflug: Wie Veränderungsprojekte zum Erfolg geführt werden“  anbieten. Ich freue mich sehr, mit Thomas Zuliani einen Workshop-Host  an Bord zu haben, der den Teilnehmern zeigen kann, wie moderne  Feedback-Systeme funktionieren und welche Rolle diese für und bei  Veränderungsprozessen spielen können. Ganz herzlichen Dank bereits an  dieser Stelle an Herrn Zuliani für seine aktive Mitwirkung beim HR  Innovation Day 2019.
Wald: Lieber Herr Zuliani, würden Sie sich und Loopline  kurz vorstellen? Meine Leser interessiert in diesem Zusammenhang wie ein  klassischer Personaler wie Sie zu einem Unternehmen kommt, dass sich  mit der Entwicklung und Anwendung moderner Feedbacksysteme beschäftigt.
Zuliani: Loopline Systems wurde 2014 aus der Taufe gehoben  und unterstützt Organisationen bei der Einführung und Optimierung von  agiler Führung, Mitarbeiter-Feedback und Performance Management. Mit der  Cloud-Lösung können Unternehmen Feedback-Prozesse digitalisieren und  vereinfachen. Durch regelmäßige, automatisierte Umfragen kann das  Mitarbeiter-Engagement gesteigert und können Ideen entwickelt werden,  die die gesamte Organisation voranbringen. Darüber hinaus bietet die  Loopline Akademie Beratung und Trainings zu Themen wie  Mitarbeiter-Feedback und Change Management an. Ich bin als Feedback-Überzeugungstäter  seit 2017 bei Loopline Systems GmbH tätig. Als Director Human Resources  eines großen Elektronik-Konzerns habe ich am eigenen Leib miterleben  dürfen, wie es eine Organisation nach vorne bringt, wenn sie auf eine gelebte, konstruktive Feedback-Kultur setzt.  Meine Erfahrung mit diesem Cultural-Change-Projekt war so positiv, dass  ich möglichst vielen Organisationen ermöglichen will, ihre eigene  Feedback-Erfolgsgeschichte zu schreiben und damit erfolgreich zu sein.
Wald: Josh Bersin hat Feedback als „Killer App“  bezeichnet aber dabei auch auf Probleme bei der Anwendung moderner  Feedback-Systeme hingewiesen. Wie sehen Sie das? Wie gestaltet sich die  Einführung von Feedback-Systemen aus Ihrer Sicht? Wo sehen Sie  Hindernisse?
Zuliani: Meine Erfahrung ist, dass Menschen nur ungerne  Feedback geben und, dass es für uns noch schwieriger ist, Feedback –   insbesondere kritisches Feedback – anzunehmen. Wir wollen nicht, dass  an dem Image, das wir mühevoll aufgebaut haben und pflegen, gekratzt  wird. Kritisches Feedback kann besser akzeptiert und aufgenommen werden, wenn es richtig formuliert wird. Außerdem zeigt die Person, die mir eine kritische Rückmeldung gibt, dass sie mich wertschätzt. Konstruktives Feedback ist also immer auch ein Zeichen, dass jemand an mir und meiner Entwicklung interessiert ist. Hierzulande  gibt es auch kulturelle Widerstände, die einer konstruktiven  Feedback-Kultur im Wege stehen. Die meisten deutschen Unternehmen sind  hierarchisch strukturiert und traditionell prozess- und  projektorientiert aufgestellt. Oben wird gedacht und gesteuert, an der  Basis wird ausgeführt. Feedback „von unten nach oben“, untereinander  oder von Gruppe zu Gruppe kommt in einer solchen Welt einfach nicht vor.  Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass klassische Hierarchien  immer noch ein weit verbreitetes Erfolgsmodell sind. Warum sich also  ändern, wenn die Zahlen stimmen? Nun, die Antwort ist einfach. Wer sich  in einer sich immer schnelleren, komplexeren, volatilen Welt nicht  bewegt, wird gnadenlos abgehängt. Denn stark betonte, klassische  Hierarchien haben zwei anachronistische, nicht zu unterschätzende  Nachteile: Sie sind langsam und sie haben die unheilvolle Tendenz,  individuelles Engagement zu behindern. Das ist problematisch, denn  Mitarbeiter-Engagement ist erwiesenermaßen der Profit-Treiber  schlechthin.
Wichtig zu verstehen ist, dass Feedback keine Beurteilung oder Bewertung einer Person ist.  Jedes Feedback ist durch die individuelle Wahrnehmung des  Feedbackgebers gefärbt und daher nicht neutral. Feedback ist also wie  ein Geschenk zu betrachten. Der Beschenkte entscheidet, ob ihm das  Geschenk gefällt und was er damit macht. Feedback ist in diesem Sinne  ein positives, konstruktives Konzept. Die nachfolgenden Generationen Y  und Z haben klare Ansprüche, regelmäßig konstruktives Feedback zu  erhalten und sie werden die Unternehmenskulturen im Laufe der Zeit auf  den Kopf stellen. Unternehmen, die es nicht schaffen eine solche  Kultur zu etablieren, werden Mühe haben, für die besten Köpfe im Land  attraktiv zu sein. Erst wenn eine Organisation verinnerlicht hat, dass  es nicht (nur) darum geht, Menschen zu bewerten, sondern darum, sich  gegenseitig dabei zu unterstützen, besser zu werden, kann sie das enorme  Potenzial einer gelebten Feedback-Kultur heben. Das Haupthindernis für  einen solchen Kulturwandel, sind aus meiner Sicht die impliziten  Erfolgstheorien hierarchischer Strukturen und zentralistischer  Steuerung.
Wald: Wie stellt sich die Funktion von Feedback-Systemen  im Rahmen von Veränderungsprozessen konkret dar? Wobei können Sie  helfen? Wo sehen Sie die Grenzen der Anwendung von Feedback-Systemen?
Zuliani: Mehrere Studien zeigen eine erschreckend niedrige  Erfolgsquote von Transformationsprozessen. Je nach Studie bewegt sich  der Anteil der gescheiterten Change-Vorhaben von 32 bis 70 %! Das sind  beunruhigende Resultate, wenn man bedenkt, wie wichtig und auch teuer  solche Projekte sind. Meine Erfahrung ist, dass Transformations-Projekte  in der Regel professionell gesteuert werden. Eine Strategie wird  entwickelt und ein zentrales Projektmanagement wird installiert. Die  Prozesse werden auf die veränderte Situation angepasst, die  strukturellen Veränderungen werden rechtzeitig implementiert und die  technologische Seite des Wandels geht auch nicht verloren. Die  Komplexität von solchen Change-Projekten versperrt aber leider oft den  Blick auf den wichtigsten Erfolgsfaktor: die Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter! Von Ihnen wird erwartet, dass sie einfach mitziehen, denn  schließlich hat man auch klar kommuniziert, was Sache ist.  Unsicherheiten, Ängste, passiver oder gar aktiver Widerstand der  Betroffenen werden oft nicht einkalkuliert. Das wiederum bedeutet, dass  sich Sand im Getriebe der sorgfältig geplanten Transformations-Maschine  bemerkbar macht. Weiche Faktoren mit harter Wirkung. Dabei ist es mit geeigneten Tools einfach zu eruieren, wie die angestrebte Veränderung ankommt und vorankommt. Solche  Rückmeldungen erhält man nur, wenn man bei denen nachfragt, die den  Change am eigenen Leib erfahren und letztendlich umsetzen – diejenigen  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also, die nahe beim Kunden und beim  Produkt im Einsatz sind. So können durch Feedback-Systeme  Unsicherheiten, Ängste und Widerstand identifiziert und durch die Wahl  von Stellhebeln adressiert werden. Regelmäßige Befragungen im Sinne  der kontinuierlichen Erfolgskontrolle zeigen auf, ob die implementierten  Maßnahmen auch tatsächlich greifen. Feedback-Systeme sind aus meiner Sicht unerlässlich für erfolgreiche Veränderungsprozesse.  Sie sollten aber keinesfalls den Eindruck erwecken, dass sie  menschliche Interaktion ersetzen. Es braucht Change-Leader, die sich  regelmäßig vor die Truppe stellen und erläutern, wohin die Reise geht  und warum der Weg zurückgelegt werden muss. Wenn Probleme im Raum sind,  ist persönliche Interaktion immer noch der Königsweg, diese zu  bewältigen.
Wald: Das Motto des diesjährigen HR Innovation Days lautet  „Mit HR Unternehmen in Bewegung bringen“. Welche konkreten Aufgaben  können oder sollten in diesem Zusammenhang Feedback-Systeme übernehmen?
Zuliani: Es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  aller Bereiche und Stufen, die ein Unternehmen in Bewegung halten und es  erfolgreich machen. Die Gestaltung einer konstruktiven  Unternehmenskultur kann aus meiner Sicht nicht an eine Abteilung  delegiert werden. Kultur ist ein Gemeinschaftswerk, das täglich gepflegt  und gelebt werden muss. Und Kultur kennt keine Hierarchie! Wenn die  angestrebte Kultur im Top-Management nicht wahrnehmbar gelebt wird,  bleibt es bei schönen Worten. Da kann auch eine noch so fähige  Personalabteilung nur wenig bewirken.
HR hat sicher die Aufgabe, die Kultur mitzugestalten, indem sie die  entsprechenden Rahmenbedingungen schafft und auch entsprechende Tools  zur Verfügung stellt. Zum Beispiel eine Feedback-App, die es  erlaubt, laufend abzufragen, inwieweit die angestrebte Kultur  tatsächlich vom Individuum erlebt und wahrgenommen wird. Moderne, agile  Feedback-Tools müssen auch nicht zentral von HR administriert und  überwacht werden. Jeder im Unternehmen kann Feedback einfordern oder  Feedback geben, über alle Abteilungen und Stufen hinweg. Solche Tools  erlauben auch einen Austausch zwischen Gruppen – zum Beispiel von  Projektteam zu Projektteam.
Wald:  Ich denke, dass die Teilnehmer Ihres Workshops  viele Anregungen zum Nachdenken aber auch zum Umsetzen erhalten werden.  Meine Standardfrage zum Abschluss des Interviews lautet: Warum kommen  Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Zuliani: Ich bin als Überzeugungstäter bei  Loopline-Systems tätig und als solcher habe ich auch die Einladung zum  HR Innovation Day gerne angenommen. In meinem Workshop habe ich die  Möglichkeit aufzuzeigen, wie es gelingen kann, eine konstruktive  Leistungskultur aufzubauen und komplexe Veränderungsprojekte erfolgreich  zu meistern. Dabei stütze ich mich nicht nur auf theoretische Konzepte,  sondern lasse die Workshop-Teilnehmer an meinen Erfahrungen als  Director HR und als COO und Leiter der Akademie bei Loopline-Systems  teilhaben. Ich freue mich auf angeregte Diskussionen und auf die Ideen  und Sichtweisen der Workshop-Teilnehmer. Die Teilnahme am HR Innovation  Day ist auch für mich eine Gelegenheit zu lernen.
Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich sehr auf Ihren Workshop.
 Mein Gesprächspartner Thomas Zuliani ist COO und Leiter Academy bei  Loopline Systems/LLS Internet GmbH. Er hat Personalmanagement an der  Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Zürich studiert und  war danach in leitenden HR-Funktionen beim Schweizer Fernsehen, bei Sony  und einer großen Krankenkasse tätig. 2017 ist er mit Begeisterung zu  Loopline-Systems GmbH gestoßen. Herr Zuliani ist auch als Mentor für  Startups im Einsatz.

