2016 https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/2016?type=787 de-de Mon, 29 May 2023 16:27:59 +0100

Interviews 2016

news-356 Thu, 29 Dec 2016 16:31:00 +0100 5 (+1) Frage/n an Stefan Reiser von der Lechwerke AG https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/356 Von „was mit Menschen“ hin zu „was mit Menschen UND Technik“Überall wird über Personaler und das Personalmanagement viel gesprochen - weniger wird mit Personalern gesprochen. Bei diesen Diskussionen dreht sich alles um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese m. E. oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Stefan Reiser, einem renommierten HR-Blogger sowie Social Media- und HR BarCamp-Bekannten, dem ich vornweg herzlich für das Gespräch danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Stefan: Hallo Peter! Danke für die Einladung, hier ein paar Gedanken zu status quo und Zukunft von HR los zu werden. Ich bin Personaler bei der Lechwerke AG in Augsburg (einem regionalen Energieversorger und Teil der RWE/Innogy-Gruppe) und kümmere mich dort in erster Linie um Employer Branding und Personalmarketing. Nebenher bin ich Turngerät für meinen zweijährigen Sohn und schreibe regelmäßig auf personalblogger.net zu HR-Themen, die mich umtreiben.

Peter: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Stefan: In unserem bunt gemischten strategischen HR-Team zeichne ich mich für das Employer Branding und das Personalmarketing verantwortlich. Hier ging es in 2016 insbesondere um ein neues Stellenanzeigenkonzept, die Website inkl. Analytics sowie die Redaktion von HR-Content für unseren Facebook-Corporate-Channel. Ein knappes Drittel meiner Zeit fließt des Weiteren in die Organisation unserer Mitarbeiterbefragung und ins HR-Controlling. Wenn es Arbeit und Sohn zulassen, ist dann auch mal ein Text auf Personalblogger.net zu aktuellen HR-Themen, mit denen ich mich beschäftige, drin - zuletzt ging es z.B. um die Google Cloud Jobs API, Unternehmenskultur und den „HR-Datedoctor“.

Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Stefan: Ich glaube ja, dass es diesen EINEN Status gar nicht gibt. Wenn wir in die meisten Unternehmen schauen, sind das ja mindestens zwei; einmal für die administrative Rolle und einmal für die strategischere. Beim administrativen Part ist HR anerkanntermaßen nötig und grundsolide. Jeder bekommt pünktlich sein Gehalt und den Papierkram kriegen wir auch ordnungsgemäß hin. Ein paar Jahre mag das noch eine ausreichende Existenzberechtigung sein… Wenn es um eine wie auch immer ausgestaltete Business-Partner-Rolle der Personalfunktion oder um Talent Acquisition geht, wird es leider düster: Da klafft nicht nur Leistungsversprechen und Kundenerfahrung auseinander, da gibt es – so nehme ich das wahr – auch innerhalb von HR nicht unbedingt Einigkeit, wohin der richtige Weg denn führt.

Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Stefan: Da will ich einfach mal zwei Beispiele herausgreifen. Aus allen Ecken ruft HR gerade selbst nach einer Gestaltungs- und Führungsrolle bei der Digitalisierung von Unternehmen. Funktional mag das ja richtig bei uns aufgehoben sein. Bei der vielfach belegten und sichtbaren Technikaversion, die Personaler mit sich herumtragen, stelle ich mir aber schon die Frage, warum uns das eigentlich jemand ernsthaft zutrauen sollte??? Personaler wird man ja schließlich, weil man was „mit Menschen“ machen will, nicht „mit Technik“. Wenn wir uns mit Technik, im Kern aber mit Bewältigung von Komplexität und schnellem Bereitstellen von Lösungen für die Herausforderungen des Business schwer tun, dann braucht man sich nicht wundern, wenn Personal nicht aus der Admin-Ecke raus kommt. Das zweite Beispiel kommt aus dem Recruiting-Kontext: HR sollte inzwischen begriffen haben, dass das Gewinnen von Talenten kein Selbstläufer ist, in vielen Funktionen einer vertrieblichen Aufgabe gleich kommt und maue Prozesse sowie schlechte Eignungsdiagnostik am langen Ende richtig viel Geld kosten. Dass das konsequent durchdacht und Schlüsse daraus gezogen werden, sehe ich (und vermutlich interne Kunden auch) viel zu selten. Da verharrt man in alten Routinen, obwohl die nicht die richtigen Ergebnisse liefern oder hält (sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse ignorierend) an eignungsdiagnostischem Hokuspokus fest.

Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Stefan: Mir geht es gar nicht so um Leistungen und Angebote. Meine These ist ja, dass es in erster Linie einen Turnaround im Mindset braucht. Wenn die (unternehmensinterne) Personalfunktion sich nicht bald eine grundlegende Technikaffinität/digital literacy zulegt und in ihren Arbeitsweisen effizienter und wendiger wird, werden sich viele Leistungen und Angebote von selbst erledigen bzw. halt von anderen (externen) erbracht. Also weg vom „was mit Menschen“, hin zu „was mit Menschen UND Technik“. Ich sage nicht, dass das im Einzelfall einfach ist – aber anders wird’s nicht gehen.

Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Stefan: Peter, das weiß kein Mensch. Wenn ich mir alleine anschaue, was sich technisch und demographisch in den letzten 3 Jahren getan hat und was alles vor der Türe steht, sind Prognosen auf 10 Jahre im Moment wirklich mutig. Wer hat 2013 was davon geahnt: über 1 Mio. potenzielle neue Arbeitskräfte in Deutschland, machine learning, Donald Trump, blockchain, den Brexit, Echo, Alexa, autonomes Fahren, die teilweise Aufgabe der Fließbandfertigung bei AUDI. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ich bin beeindruckt vom Tempo, mit dem sich gerade Wirtschaft, Politik und Technik verändern; und all das hat unmittelbaren oder zumindest indirekten Einfluss auf HR. Was das konkret für das Portfolio von HR und die Profession in 10 Jahren heißt? We’ll see. Wovon ich aber überzeugt bin: Die Personaler müssen raus aus dem Strandkorb, ab aufs Brett und rauf auf die Welle. Sonst surfen halt andere.

Peter: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du den jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Stefan: Ein richtig guter Kumpel von mir hat 1999 zu mir gesagt, „Komm, lass uns html lernen und Websites programmieren“. Meine Antwort war damals: „Hey, ich studier Erziehungswissenschaften, was will ich mit websites!?“ Junge Personaler und Studierende sollten m.E. nicht nur mit einem Auge, sondern so richtig genau darauf schauen, was sich bei Themen tut, die heute auf den ersten Blick noch nichts mit HR zu tun haben. Nicht nur wegen IoT: Alles wächst zusammen.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-357 Wed, 28 Dec 2016 16:33:00 +0100 5 (+1) Frage/n an Klaus Pohlmann von VEDA https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/357 Es gilt, lernfähig zu bleiben!Es geht weiter mit den Gesprächen zu den Erwartungen an das Personalmanagement, denn über Personaler und das Personalmanagement wird nach wie vor viel gesprochen - jedoch weniger mit den Personalern. Im Zentrum dieser Diskussionen stehen die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch die Perspektive von „HR“ insgesamt. Da diese Diskussionen oft von mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen geprägt sind, habe ich eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements gestartet. Heute spreche ich mit Herrn Klaus Pohlmann - einem Twitter-und XING-Bekannten, dem ich bereits vornweg herzlich danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Im Anschluss daran folgen dann meine Fragen:

Mein Name ist Klaus Pohlmann. Ich verantworte als Geschäftsführer und Gesellschafter die Firma VEDA GmbH und deren Töchter. Mit 150 Mitarbeitern ist VEDA ganzheitlicher Anbieter für Software der Personalwirtschaft. Wir liefern für Unternehmen in Deutschland wertvolle Unterstützung vom operativen bis zum strategischen Personalmanagement. Dazu gehören grundsätzlich Entgelt und Zeitwirtschaft, aber eben auch Personalentwicklung, Bewerber, Maßnahmen und Weiterbildung. Unsere Kunden gehören zum Mittelstand und zu Konzernen. Alternativ bieten wir zusätzlich das Business Prozess Outsourcing, also die klassische Übernahme der Tätigkeiten der operativen Personalaufgaben, damit den Unternehmen die Freiheit bleibt, strategisch die Zukunft anzupacken.

Wald: Vielen Dank für die Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Pohlmann: Diese Zeit ist gefüllt mit Beratern, Consultants und Coaches, um den Unternehmen Spielraumerweiterung und Denkmöglichkeiten zu offerieren. Alles ist von zukünftiger Bedeutung, da es auf die anstehenden Probleme der Demographie, der Generationen und den Aspekten von Arbeit 4.0 hinwirkt. Im Zuge der Digitalisierung sind Kultur und Technologieveränderungen notwendig. Die Position der VEDA, damit auch meine, liegt tendenziell im Fokus der Technologie, wohlwissend, dass eine Kulturveränderung einhergeht. Aus diesem Grunde können wir mit neuen Technologien wie VEDA Horizon Kulturveränderung in Unternehmen sinnvoll begleiten wie mit VEDA Entgelt und Zeitwirtschaft jene operativ optimieren.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Pohlmann: Das ist unterschiedlich. Wir können unterscheiden zwischen der Binnen- und der Außensicht. Mir scheint, dass der Personaler in den Unternehmen sich nahezu ausschließlich auf die aktuellen operativen Probleme fokussiert, ohne sie deutlich bzw. transparent zu machen. Zeitmangel wird dann oft als Argument gewählt, sich nicht auf die Zukunft vorbereiten zu können. Dieses begünstigt die Außensicht (Berater, Coaches etc), vorrangig kritisch auf HR zu sehen. Blogs, Vorträge und diverse „Statements“ geben beredtes Beispiel. In den Social Media Plattformen entsteht der Eindruck, dass HR kein gutes Standing hat. Dort tummeln sich auch wenige HR´ler. Dagegen nimmt in der Lehre und in der Ausbildung das Thema HR bzw. auch die Einflussfaktoren von HR auf den unternehmerischen Erfolg zu. In vielen Curriculae ist HR und Führung ein "Muss".

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Pohlmann: Wie ich schon sagte, der Alltagstrott scheint dominant und der Wille zur Veränderung steckt voller Zweifel. Dieses erkennen all diejenigen, die sich in den Themen der Zukunft vernetzen und regen Austausch halten. Es ist in der Tat leicht, jenseits der Praxis eine Menge möglicher Transformationen zu erkennen und den Stillstand im Leben zu beklagen. Die Menschen im Personalmanagement wie in den Führungsetagen müssen aus ihrem Alltag abgeholt werden. Der Wille zur Veränderung ist natürlich bei beiden Voraussetzung. Daher sind die Innovativen von den Bestandswahrern zu unterscheiden. Beides hat seine Berechtigung. Beides erzeugt ein Spannungsfeld in den Unternehmen. Hier findet die Kritik ihren Nährboden.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Pohlmann:Lassen Sie mich hier einfach diese drei Punkte nennen:

  1. Klare Trennung: Administration und Beratung/Führung.
  2. Führung wird sich in eine Coachingrolle wandeln, HR ist Begleiter und Unterstützer.
  3. Hierachiestufen werden Netzwerkorganisationen weichen. Dieses wirkt sich auf Kommunikation, Kollaboration und Agilität aus und HR unterstützt, so dass sich die notwendigen Prozesse und offene Strukturen etablieren können. 

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Pohlmann: Aus der vorherigen Antwort kann ich fortführen: Beziehungsmanagement wird sehr wichtig sein. Darunter verstehe ich Menschen mit Persönlichkeit und Haltung, die in der Lage sind, Beziehungen einzugehen, aufrechtzuerhalten und zu entwickeln. Dieses wird sich insbesondere im Recruiting niederschlagen. Persönliche Empfehlungen aus der eigenen Mannschaft heraus werden zunehmend ein Erfolgsfaktor für das Employer Branding.  Zusammenarbeit, Kollaboration in einer neuen Weise wird zum Performancetreiber, Kultur wird zum Produktionsfaktor. Bedenken wir auch, dass im Jahre 2025 statistisch 75% der Mitarbeiter Millenniens sein werden, dann wissen wir zugleich, dass die Zeit ohne Internet und Smartphone nicht mehr gilt, dass Mobilität, Beliebigkeit von Ort und Zeit hohe Herausforderungen stellen wird an Bindung und Kommunikation, dass jedwede Form der Zusammenarbeit möglich sein wird. Zudem stellt das Thema Vernetzung eine zusätzliche Herausforderung dar. Vernetzung von Arbeitsmodellen (fremd, eigen, mobil), von Generationen, von Technik und Mensch. Zugleich werden wir aber auch sehen, dass die Regression der Globalisierung nicht den Waren- und Geldfluss behindern wird, aber sie stellt vielleicht sicher, dass regionale und tradierte Werte an Bedeutung gewinnen. Regional wirken und global denken - vielleicht ein Vorteil bezüglich der Bindung von Arbeitnehmer und Unternehmen.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Pohlmann: Veränderung wird alltäglich. Es gilt also, lernfähig zu bleiben in jedem Sinne. Gehen wir davon aus, dass die Automatisierung greift, dann bleiben für die Zukunft die Dinge, die den Menschen ausmachen: Interesse am Menschen, Mut, Entdeckergeist, Kreativität, Emotionalität. Und ich glaube auch, dass die Zukunft ohne Aneignung von Technologie, also auch lernen, zu programmieren, nicht vollständig ist.

Wald: Ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg sowie viele freundliche Partner und Kunden im Personalmanagement.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-358 Thu, 22 Dec 2016 16:36:00 +0100 5 (+ 1) Frage/n an Demografieexperten Rolf Dindorf https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/358 Aus Offenheit für neues Denken und Vertrauenskultur ergeben sich Chancen für HRAuch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es um HR-Prozesse und -Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten, die heute fortgesetzt wird. Dafür steht mir Rolf Dindorf zur Verfügung, dem es mit seinem viel beachteten Demographieblog www.generation-silberhaar.de oft gelingt, eigene Akzente in diesen Diskussionen zu setzen. Ich danke ihm bereits jetzt für die Bereitschaft zum Interview und bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich meine Fragen an.

Was könnte aufregender sein als die Herausforderung demographischer Wandel offensiv anzugehen? Ich unterstütze kleine und mittelständische Unternehmen sowie den öffentlichen Dienst als Trainer, Berater und Vortragsredner in Fragen rund um die vertrauensvolle Führung und Kommunikation. Thematisch beschäftige ich mich seit 2005 intensiv mit den Schlüsselfaktoren zum Finden und Binden von Fachkräften, dem vertrauensvollen Führen 4.0 sowie der altersgemischten Teamarbeit. Als Lehrbeauftragter bringe ich meine Kenntnisse in den Fächern Demographiemanagement, Kommunikation und Führung an verschiedenen Hochschulen ein. Mit meinem Blog „Generation Silberhaar“ greife ich aktuelle Entwicklungen, Trends und Tendenzen rund um die Fachkräftesicherung, Führung 4.0, Generation Y, Work Life Balance und Generation 50plus auf.

Wald: Herzlichen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Dindorf: Da gibt es drei Schnittstellen:

  1. Im Rahmen meiner heutigen Tätigkeit stehe ich im regelmäßigen Kontakt mit Personalern. Kernbestandteile der Zusammenarbeit sind neben der klassischen Personalentwicklung Fragen der Strategie und der lebensphasenorientierten HR-Arbeit. Schließlich sind fünf Generationen agil unter einen Hut zu bringen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Unterstützung der Personalarbeit zur Erreichung der Konzernziele. Dabei sind Prozesse und Strukturen nachhaltig so zu verändern, dass das Thema „Vertrauenskultur“ als strategischer Erfolgsfaktor im Unternehmen etabliert werden kann.
  2. Als Aufsichtsratsmitglied eines Klinikums war ich jahrelang in Personalfindungs- und -bindungsprozessen involviert.
  3. Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit pflege ich einen regelmäßigen Austausch mit Nachwuchs-Personalern.


Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Dindorf: Alles und jeden über einen Kamm zu scheren halte ich für bedenklich. Allerdings zeigt das Bild der Dax-30-Unternehmen eine deutliche Tendenz. Sieben Dax-Konzerne leisten sich einen eigenständigen Personalvorstand. Dies zeigt den Status vieler Personalabteilungen: ein Schattendasein. Angesichts des digitalen und demographischen Wandels läuft hier eindeutig etwas schief. Der Personalabteilung sollte der gleiche Stellenwert wie der Finanzabteilung zukommen.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Dindorf: Vor dem Hintergrund meiner praktischen Erfahrung sind zu viele Personaler zu sehr Verwalter denn Gestalter. Strategisches Denken, angelehnt an die Unternehmensstrategie, steckt häufig noch in den Kinderschuhen. Dazu kommt, dass in Personalabteilungen zu häufig Personaler-Sprache anzutreffen ist. Warum spricht man nicht die Sprache des Vorstands? Dann entkommt HR auch der Falle nur als administrative Einheit wahrgenommen zu werden. Ein weiterer Knackpunkt ist das Problem der Quantifizierung. Was leistet HR? Der Bereich Finanzen hat es hier deutlich leichter. Doch jammern hilft nichts. Das Personalmanagement muss sich verstärkt Gedanken machen, wie sich seine Leistung überzeugend in Zahlen und Fakten darlegen lässt.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Dindorf: Die Chancen für das Personalwesen 4.0 sind so günstig wie seit Jahren nicht mehr. "Beginnen Sie, Berge zu versetzen" möchte man den Personalern zurufen. Durch innovative Personalstrategien besteht die Möglichkeit agile Veränderungsprozesse anzustoßen. Visionäre Impulse durch neue Karriere- und Arbeitszeitmodelle sowie die Neuerfindung von Führung sind Optionen sich in Szene zu setzen und als strategischen Erfolgsfaktor aufzutreten. Die Erfahrung zeigt beispielsweise, dass in vielen Betrieben die Unternehmenskultur im Hinblick auf vertrauensförderliche Ansätze noch Entwicklungspotential besitzt. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist eine gelebte Vertrauenskultur ein starker Magnet für junge Nachwuchskräfte. Warum nicht hier neue Duftnoten setzen?

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Dindorf: In 10 Jahren sind wir voll im demographischen und digitalen Wandel angekommen. Die Personalabteilung muss den Mitarbeitern eine dauerhafte Beschäftigungsfähigkeit ermöglichen. Im Rahmen einer lebensphasenorientierten Strategie wird HR alle fünf Generationen im Unternehmen im Visier haben müssen. Geprägt von einem agilen Umfeld wird das Personalmanagement seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg dadurch leisten, dass es ein Arbeitsumfeld schafft, in dem jeder seine Kompetenzen ideal im Unternehmen einbringen kann. Angesichts des Fachkräftemangels und sinkender Geburtsjahrgänge wird das Finden und Binden von engagierten und motivierten Mitarbeitern eine weitere zentrale Aufgabe der Personalarbeit sein. Schon hier liegt ein Schlüsselfaktor, damit HR 4.0 einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens leisten kann. Eine nachhaltige Personalarbeit wird auch den Wissenstransfer im Blick haben. Angesichts des Ausscheidens der Baby Boomer droht ein einzigartiges Erfahrungswissen verloren zu gehen. Hier muss HR 4.0 entsprechende Angebote für den Wissenstransfer und das Anbinden der ausscheidenden Mitarbeiter an das Unternehmen leisten.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Dindorf: Personaler der Zukunft sollten konsequent offen sein für neues Denken. Nicht alles, was unter New Work diskutiert wird, kommt zur erfolgreichen Implementation. Doch ich muss als aufgeschlossener Personalmensch die aktuellen Diskussionen kennen. Damit HR 4.0 nicht als administrative Einheit abgewickelt wird, sind strategischer Weitblick und pragmatisches Handeln nötig. Als wichtiger Treiber für die digitale Transformation fällt den People Managern die Rolle zu, Sinnstiftung zu betreiben. Sinn ist einer der wichtigsten Motivatoren. Eine vorausschauende Personalpolitik in einem modernen, agilen Unternehmen wird optimale Rahmenbedingungen für die Belegschaft und Führung in Form von beispielsweise agiler Teamarbeit schaffen. Auch die Digitalisierung wird das Personalwesen erreichen. Hier gilt es den technischen Fortschritt durch webbasierte Lösungen in das tägliche Handeln zu integrieren.

Mein Fazit:  Um dem Anspruch eines zukunftsorientierten Personalmanagements gerecht zu werden, gilt es sich an die Worte Richard Bransons, Gründer von Virgin, zu erinnern: „Wenn Menschen stolz darauf sind, mit ihrem Unternehmen verbunden zu sein, entsteht dadurch ein besonderes Maß an Fürsprache und Verbundenheit, das in einer Welt voller Mittelmäßigkeit und Gleichgültigkeit für den entscheidenden Unterschied sorgt“ (Richard Branson: Like a Virgin. Börsenmedien AG Kulmbach, 2013, S. 23).

Wald: Lieber Herr Dindorf, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge und zahlreiche neue Ideen.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-359 Tue, 20 Dec 2016 16:42:00 +0100 5 (+ 1) Frage/n an Marcus K. Reif https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/359 Nicht länger WOMBAT, sondern spürbarer WertbeitragIch wiederhole mich: Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Dies soll hier anders sein, denn ich spreche mit Personalern in dieser Interviewreihe über die Perspektive von "HR" insgesamt. Mit diesem Interview wird die im Dezember 2016 gestartete Reihe fortgesetzt. Heute steht mir mit Marcus K. Reif, ein HR-Insider, Chief People Officer bei Kienbaum aber auch ein „alter“ Twitter- und XING-Bekannter und HR-Blogger zur Verfügung, dem ich bereits jetzt ganz herzlich für die Teilnahme danke.

Marcus K. Reif ist Chief People Officer für die Kienbaum Consultants International GmbH. Als Personalleiter verantwortet er national und international die Zentralfunktion Personal, berät das Geschäftsführungsgremium von Kienbaum und berichtet direkt an Jochen Kienbaum. Er hat zahlreiche Publikationen zu den Themen Personalmanagement, Arbeitswelt, Recruiting, Employer-Branding und Changemanagement veröffentlicht. Er verfügt über 20 Jahre Beratungserfahrung, u. a. in Stationen als Leiter Recruiting und Employer-Branding für die Länder Deutschland, Schweiz und Österreich bei EY (Ernst & Young), bei der Unternehmensberatung Accenture, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, TMP Worldwide und jobpilot. Darüber hinaus betreibt er den renommierten HR-Blog www.reif.org.

Wald: Lieber Herr Reif, wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Reif: Ich arbeite seit genau 19 Jahren im Personalbereich, dort mit Schwerpunkten in der Personalbeschaffung und der Arbeitgeberattraktivität. Seit Oktober bin ich in einer deutschen Unternehmensberatung für die gesamte People-Funktion zuständig und betreue dort die ganze Palette unserer People-Arbeit.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Reif: HR wird oft belächelt als eine Einheit, die anderen bei der Arbeit zuschaut. Und da jeder seine pünktliche Gehaltsüberweisung wünscht, schleift man die HRler eben mit. Wir müssen raus aus diesem Klischee! Aber Beispiele gefällig, weshalb es uns dennoch nicht gelingt? Wir sind viel zu oft der Wombat. Nicht das Tier, sondern das Akronym für “waste of money, brain and time”.​ ​Wir können es uns als Personaler nicht mehr leisten, Dinge zu implementieren und diese über Jahre zu betreiben. Wir werden viel stärker in die Verantwortung genommen, den Wandel zu managen und zu gestalten. Die Digitalisierung ist die Chance, unser Klischee “keine Ahnung vom Geschäft, zu bürokratisch, zu langsam, irrelevant” abzustreifen.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Reif: Der HR-Bereich wird von unseren Kunden innerhalb des Unternehmens nicht als wertschöpfend wahrgenommen. Die Perspektive ist „HR kann doch jeder“ - wo stets mitschwingt, dass unsere Arbeit losgelöst von einem People-orientierten Kompetenzmodell zu erbringen sei. Dabei sind wir nicht immer schuldlos. Wir diskutieren nicht nur unsere eigene Arbeit viel zu technisch, sondern kommen nicht im Ansatz auf Augenhöhe zum Business. Und wenn dies nicht gelingt, nimmt man uns nicht ernst. Fatal für eine Einheit im Unternehmen, die gerne vom Verwalter zum Gestalter reüßieren möchte. Also die Distanz zur Frage des Fachbereichs, das Agieren in einem risikominimierten und von umfassenden Guidelines bestimmten Alltag führt uns eben genau zu dieser Perspektive​ ​und einem ausgeprägten Zynismus auf Kundenseite​.​

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Reif: 65 % unserer Kinder bekommen Jobs, die es heute noch gar nicht gibt. Das Thema Digitalisierung ist jung – und doch ist schon viel geschrieben worden über die vierte industrielle Revolution der Arbeitswelt. Über Industrie 4.0, die Szenarien einer drohenden Massenarbeitslosigkeit, über Roboter, die Menschen ersetzen. Tatsächlich lässt die fortschreitende Technisierung die Grenzen zwischen virtueller und realer Arbeitswelt zunehmend verschwimmen. Doch dieser Prozess bietet auch enorme Chancen für die Zukunft unserer Arbeit. Die Digitalisierung der Arbeitswelt bedeutet vor allem Wachstum.

Digitalisierung ist keine Panikmache, sie ist unser Freund. Während wir heute üblicherweise in Ratios unterwegs sind von 1 zu 70 (ein HR-Mitarbeiter auf 70 der Gesamtmitarbeiterschaft), wird die Zukunft – alleine aus der Kostenperspektive – uns zu wendigeren, schnelleren und günstigeren Einheiten zwingen. Wir werden vermutlich auch nicht mehr in Büros rumhocken, nicht nur, weil die Präsenzdenke ausläuft, sondern weil wir bei unseren Kunden sein werden. Und sind wir nicht bei den Kunden, arbeiten wir von zu Hause, um die Zeit mit der Familie und unseren Hobbys besser zu vereinbaren. Wir werden digitale Applikationen nutzen, um die Personalprozesse zu bedienen. Das physische Rumsitzen erfolgt rein aus kommunikativen Erwägungen. Voraussetzung ist, dass HR nicht irgendwas tut, sondern einen erkennbaren Wertbeitrag zur Geschäftsstrategie liefert.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Reif: Die zentrale Frage nach der Ausrichtung Ihrer HR-Organisation: sind Sie transaktional oder transformational unterwegs? Wie analog oder digital sind Sie aufgestellt? Die Zukunft der HR-Welt liegt mit Sicherheit nicht im transaktionen Umfeld. Wir müssen vom Verwalten zum Gestalten gelangen! Trennen Sie Ihre Organisation in die beiden Bereiche “Transaktion” und “Transformation”, somit in “run the business” und “change the business”. Das sind aus meiner Sicht die Elemente erfolgreicher HR-Arbeit.

Wir begegnen den Herausforderungen Personal-seitig durch eine höhere Vernetzung sowie von stärker verteilten Arbeitsplätzen. Mit neuen Technologien reduzieren wir unproduktive Zeiten, beispielsweise werden Meetings und Jour fixe stärker virtualisiert, was die aktive oder passive Reisezeit deutlich reduziert. Arbeit ist nicht mehr die Frage einer Adresse, an der ich meine Tätigkeit erbringe, sondern der Output, den ich dort generiere, wo ich meine Bedürfnisse am besten bedient weiß. Das ist nicht immer per se das Homeoffice. Das ist in der Realität stets eine Mischung aus Arbeitsorten, die ich so wähle, um Familie, Hobbys und persönliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen.

Dabei erfordert digitale Transformation meist ein neues Geschäftsmodell, auf jeden Fall aber eine steigende Arbeitsproduktivität in Fabriken und Büros, eine schneller reagierende Organisation und eine konsequente Ausrichtung an den stetig wachsenden Kundenansprüchen. Früher oder später beeinflusst der digitale Wandel also so ziemlich jeden Job. In nur 500 Tagen ist zum Beispiel die gesamte US-Hörgeräteindustrie auf 3D-Druckverfahren umgestiegen, um perfekt individualisierte Produkte zu liefern. Hersteller, die der alten Produktionsmethode treu blieben, sind vom Markt verschwunden. Das Beispiel zeigt: Strategischer Weitblick („3D-Druck revolutioniert meine Branche“), eine agile Organisation („die Umstellung darf keine 5 Jahre dauern“) und die richtigen Qualifikationen der Mitarbeiter („Experten für 3D-Druck und User Experience“) mussten zusammenkommen, um diesen Wandel in dieser Zeit zu schaffen.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden). Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Reif: Wichtig ist, jeder einzelne muss seine Relevanz zu seinem Wunscharbeitgeber erläutern können. Dabei ist wichtig, dass ohne Softskills keine Karriere mehr funktionieren wird. Die akademische Leistung sollten wir nicht überbewerten, eine Karriere entscheidet sich stets an der Leistung, nicht an der akademischen Biografie. Gleichwohl sind akademische Abschlüsse Türöffner für bestimmte Berufe und Arbeitgeber, bieten mithin das gebotene theoretische und wissenschaftliche Rüstzeug. ​Die People​-Funktion der Gegenwart besteht immer mehr aus Persönlichkeiten, die den Wandel gestalten wollen und können. Dafür braucht es Leidenschaft und eine große Portion Neugierde.

Wald: Lieber Herr Reif, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, zahlreiche neue Ideen und freue mich auf ein Wiedersehen im Jahr 2017.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-360 Sun, 18 Dec 2016 16:44:00 +0100 5 (+1) Frage/n an Herwig Kummer https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/360 Einen Rahmen für Menschen schaffen - Erwartungen an HR aus Sicht eines InsidersDerzeit wird vielerorts und recht häufig über Personaler und das Personalmanagement gesprochen - weniger wird mit den Personalern gesprochen. Bei den Diskussionen geht es um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese m. E. oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute habe ich die Gelegenheit mit einem HR-Insider zu sprechen. Herwig Kummer, ein alter HR BarCamp- und Twitter-Bekannter, steht mir Rede und Antwort. Bereits vornweg danke ich herzlich und bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Mein Name ist Herwig Kummer und ich bin seit fast 25 Jahren begeistert im Personalmanagement aktiv. Seit fast 10 Jahren arbeite ich beim Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC) in Wien als stellvertretender Leiter Personalmanagement. Nebenbei engagiere ich mich auch noch in der Aus- und Weiterbildung von Personalern und betreibe einen eigenen HR-Blog www.personaleum.at (Info Prof. Wald: Darüber hinaus ist er einer der Initiatoren des CorporateCultureCamps.)

Peter: Lieber Herwig, vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Herwig: Gemeinsam mit meinem Team bearbeite ich beim ÖAMTC die komplette „softe“ Seite des Personalmanagements, also vom Employer Branding, dem Recruiting, übers Training bis hin zur Entwicklung von Personen und Teams. Hier arbeiten wir eng mit unseren Führungskräften zusammen und setzen - dank der großartigen Unterstützung des Managements - viele spannende Projekte und Initiativen im Personalmanagement um.

Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Herwig: Generell sehe ich Personaler gerade an einer Kippe stehen: Auf der einen Seite stehen Personaler, die Personalarbeit so verstehen, wie sie es vor Jahrzehnten gesehen und weitergeführt haben. Diese wünschen sich zwar einen Platz am Tisch des Managements, haben aber weder dort nachgefragte „Produkte“ noch passende „Antworten“ auf aktuelle Fragen (Agiles Arbeiten, Digitalisierung, u.a.). Diese Gruppe ist aus meiner Sicht (noch) in der deutlichen Mehrheit.
Auf der anderen Seite treffe ich immer mehr Personaler (und nicht nur junge), die sich den Herausforderungen des Business stellen und dafür geeignete Antworten aus HR-Sicht suchen. Und die auch passende Lösungen finden, mitunter unkonventionell und abseits tradierter Wege.
Erstere werden in wenigen Jahren kaum noch Mehrwert liefern können und rasch der Digitalisierung zum Opfer fallen. Letztere werden das Business klar voranbringen und ganz nebenbei die Personalarbeit neu erfinden.

Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Herwig: Eine der Gründe ist eine gewisse Hybris der Kritiker. Personalarbeit kann ja schließlich jeder - zumindest im Selbstbild. Was soll denn so schwer sein, Inserate zu schreiben, Bewerbungen zu sortieren und nette Gespräche zu führen? Oder wo ist eigentlich die fachliche Herausforderung, Trainings zu organisieren oder ein eLearning online zu stellen? Es schaut alles oberflächlich sehr leicht und locker aus. Das soll es ja letztlich auch. Aber dahinter steht im Idealfall mehr, nämlich konkrete, fachlich fundierte Überlegungen. Und dass die dafür nötigen fachlichen Hintergründe bei manchen Personalern selbst recht lückenhaft sind, nährt natürlich die Kritiker.

Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Herwig:Personalmanagement muss flotter werden, im tatsächlichen wie im übertragenen Sinn des Wortes.

  1. Flotter, agiler und wendiger sollten wir werden, um Business-Anforderungen in Lösungen zu übersetzen. Also nicht mehr reflexhaft in die Produktkiste des Personalmanagements greifen und an einzelnen Menschen herumdoktern, weil man es immer so gemacht hat. Sondern die Anforderung verstehen und mit geschickt gesetzten Impulsen für Entwicklung sorgen.
  2. Unsere Leistungen und Angebote gehören endlich entrümpelt, erneuert und müssen damit flotter werden. Dazu gehört auch, Internet und Informationstechnologie als unser (neues) Spielfeld zu entdecken. Also Prozesse verschlanken, dann digitalisieren und flexibilisieren. 
  3. Und letztlich wäre wichtig, dass wir selbstbewusster und damit flotter im Unternehmen auftreten. Sich im Ringen um Anerkennung  bedingungslos an den Usancen des Management anzupassen, tut nicht gut. Da planen wir das Unplanbare, nur um des Plans Willen. Oder wir berechnen ROIs, wissend dass Nicht-Lineare Wirkungsketten so gar nicht berechenbar sind. Diesen Mut, mit solchen „Sinnlosigkeiten“ aufzuhören, sollten wir haben oder entwickeln. Dann haben wir auch wieder Ressourcen  für wirklich Wirksames frei.


Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Herwig: Personalmanagement wird einen Teil des Anspruchs verlieren, im Auftrag und auf Rechnung des Managements „Personal“ zu verwalten bzw. für den Betrieb zu beschaffen oder herzurichten. Stattdessen wird der klare Anspruch treten, gemeinsam mit dem Management einen Rahmen für „Menschen“ zu schaffen, in dem alle produktiv und erfolgreich sein können und wollen. Wie das konkret aussehen kann, können wir uns heute nur ansatzweise ausmalen. Denn viele der Möglichkeiten, die wir in 10 Jahren dazu zur Verfügung haben werden, kennen wir heute ja noch gar nicht.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Herwig: Aus meiner Sicht sind drei Aspekte besonders wichtig:
Erstens, einen weiten Blick über den eigenen Tellerrand halten und am Puls der Zeit bleiben - egal ob es Gesellschaft, (Arbeits)Märkte oder Unternehmen(sformen) oder anderes betrifft. Das Interesse für Neues und die Achtung vor Bewährtem ist wichtige Grundlage für Personaler. Genauso wie das Bestreben, die Dinge selbst auszuprobieren und zu erleben.
Zweitens  brauchen Personaler eine tiefe und breite theoretische Fundierung in unterschiedlichen Fachgebieten. Wie funktionieren Organisationen, was hält Teams zusammen und wie (unterschiedlich) sind Menschen „gestrickt“? Oder was bewegt Menschen wirklich und wie lernen sie? Dazu gibt es viel Wissen und Erkenntnis aus unterschiedlichen Bereichen, die aber viel zu wenige Personaler kennen.
Und drittens, IT-Kompetenz in allen Facetten – sowohl in der Anwendung als auch in der Gestaltung. Es muss ja nicht gleich Programmierung sein, aber gute eigene Erfahrungen in der Anwendung und Umsetzung der technischen Möglichkeiten bringt (fast) nur Vorteile.

Peter: Lieber Herwig, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und viele freundliche Partner und Mitarbeiter. Viele Grüße nach Wien!

 

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-361 Thu, 15 Dec 2016 16:47:00 +0100 5 (+1) Frage/n an Jo Diercks von Cyquest https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/361 Überall wird viel über Personaler und das Personalmanagement gesprochen - weniger wird mit Personalern gesprochen. Bei diesen Diskussionen dreht sich alles um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese m. E. oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten.

Heute spreche ich mit Joachim "Jo" Diercks - einem bekannten Recruiting-Spezialisten, HR-Blogger und alten BarCamp-, Twitter- und HR-Edge-Bekannten, dem ich vornweg herzlich danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Jo: Hallo Peter, ich denke, einige deiner Leser werden mich wahrscheinlich kennen. Aber der Vollständigkeit halber: Mein Name ist Joachim („Jo“) Diercks, ich bin Gründer und Geschäftsführer von CYQUEST. Wir entwickeln Online-Assessments, also Auswahltests, die über das Web durchgeführt werden, SelfAssessment- und Matching-Verfahren sowie Berufsorientierungsspiele. Nebenbei bin ich Gastdozent für Personalthemen an verschiedenen Hochschulen, häufig als Vortragsredner unterwegs und betreibe mit dem Recrutainment Blog einen der meistgelesenen HR-Blogs im deutschsprachigen Raum.

Peter: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Jo: Im „engeren Sinne“ habe ich die meisten Berührungspunkte mit allen Themen, die sich um die Personalgewinnung drehen, schlichtweg weil wir mit CYQUEST dort unseren Tätigkeitsschwerpunkt haben. Mit Personalgewinnung meine ich zum einen kommunikative Themen wie Employer Branding und Personalmarketing, etwa weil unsere Self-Assessment- bzw. Matching-Lösungen dafür sorgen, dass potentielle Bewerber passendere Berufe, Stellen und Arbeitgeber identifizieren können. Zum anderen meine ich damit aber natürlich auch konkret das Recruiting. Denn: Wenn wir Tests bei unseren Kunden implementieren, dann handelt es sich dabei natürlich um Elemente des Auswahlprozesses. Speziell aber das bloggen sorgt bei mir dafür, dass ich meinen Blick auch oft sehr weit über den Tellerrand der Personalgewinnung werfe. Da geht es dann oft auch um Themen wie Vereinbarkeit, Demografischer Wandel, Integration, Big Data, Weiterbildung oder natürlich Unternehmenskultur und Cultural Fit. Und ich habe ein ausgeprägtes Interesse an technischen Entwicklungen, weshalb man von mir auch oft was zu Themen wie Virtual-/Augmented Reality, Bots, Algorithmen & Ontologien oder neuen Apps liest.

Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Jo: Ich glaube das Standing von HR insgesamt ist (NOCH) okay. Aber es ist nicht zu übersehen, dass das Personalwesen insgesamt unter zunehmenden Rechtfertigungsdruck gerät und seinen Leistungsbeitrag, der für mich (potentiell) unzweifelhaft vorhanden ist, stärker beziffern muss.

Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Jo: Die mit großem Abstand größte Herausforderung für HR liegt in der rasanten technischen Entwicklung. Es passiert so viel – von automatisierten (“digitalisierten“) oder zumindest automatisierbaren Prozessen bis hin zu einer erheblich größeren Transparenz und potentiellen Messbarkeit -, dass jeder neue Tag mittlerweile neues bringt oder zumindest erfordert, sich mit Neuem zu beschäftigen. Das Problem dabei ist – ich sage das mal etwas kokett… -, dass viele Personaler deshalb Personaler geworden sind, weil sie eben nichts mit Maschinen machen wollten, sondern „mit Menschen“… Deshalb empfinden viele Personaler technische Veränderungen oft erst einmal als Bedrohung. Noch schlimmer – und auch diese Haltung gibt es hier tatsächlich mehr als in anderen Disziplinen – ist eine gewisse „Vogel-Strauß-Haltung“ nach dem Motto: „Was nicht sein darf, gibt es auch nicht!“

Ich schreibe bspw. viel zu der Frage, ob Algorithmen Teile der Personalauswahl übernehmen können. Das kann man sehr wohl ambivalent beurteilen, klar. Aber viele Personaler reagieren oft mit dem Argument: Nein, eine Maschine kann kein Bauchgefühl, also kann sie auch kein Recruiting. Punkt. Ende der Diskussion, Ende des Gedankens. Dass es diese Algorithmen aber gibt und sich Entwicklungen durch "Vogel-Strauß-Haltung" auch nicht aufhalten lassen, wird ausgeblendet. Dabei läuft HR dann Gefahr, dass die Entwicklung sich eben ohne HR vollzieht.

Leider beschränkt sich diese Haltung aber nicht nur auf technische Entwicklungen. Ich bin immer wieder erschüttert erstaunt, wenn ich sehe, dass Personaler keine Ahnung haben, welche Dinge sich gerade in anderen Disziplinen wie Marketing oder Recht abspielen, die aber direkt etwas mit dem eigenen Job zu tun haben. So haben bspw. viele Personalmarketing-Verantwortliche keine Ahnung was „Programmatic Advertising“ ist oder Recruiter, die noch nie etwas von der EU-DSGVO gehört haben…

Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Jo: Die meiner Ansicht nach wichtigste Änderung muss sich im Mindset vollziehen. Ich verlange gar nicht, dass technische Entwicklungen zwingend von HR ausgehen müssen, aber das Personalmanagement muss technischen Entwicklungen gegenüber ein offenes Visier zeigen. Da gehört die Offenheit dazu, dass es überhaupt technische Entwicklungen gibt, die sich auf den eigenen Bereich auswirken könnten und auch eine gewisse Lust darauf, sich mit diesen Entwicklungen zu befassen. Ich erhoffe mir, dass Personaler diese Entwicklungen, die sich eh nicht aufhalten lassen, proaktiver mitgestalten. Denn es handelt sich keineswegs nur um eine Frage der Technik, der Informatik. Im Gegenteil: Wie uns die „Echokammer/Filterblasen“-Problematik nachdrücklich vor Augen führt, dürfen Algorithmen eben nicht alleinig in den Händen der Techies liegen. Es bedarf immer einer inhaltlich beurteilenden Instanz. Sonst droht die Gefahr, dass Algorithmen basierend auf reinen Scheinkorrelationen unsinnige Ergebnisse produzieren oder falsche Matchingresultate sich wie in einer Echokammer immer mehr verstärken. Das wäre dann nicht nur inhaltlich schlecht, sondern auch ethisch bedenklich. Bezüglich dieser dringend nötigen „proaktiven Mitgestaltung“ von HR-Tech bin ich allerdings eher nicht so optimistisch für 2017… Leider.

Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?

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Jo: Operativ: Die Beherrschung und Verwaltung automatisierter Prozesse wird sehr viel stärker als heute sein.

Strategisch: Der Überblick und die Steuerung, dass diese technischen Prozesse auch das richtige tun, in die richtige Richtung gehen. Wenn Personaler heute nicht stärker ihr Visier in Richtung technischer Neuerungen öffnen, dann werden sie einer nach dem anderen vom Zug fallen. Dann werden in 10 Jahren nur noch hochspezialisierte technikaffine HR´ler die operativen Prozesse überwachen und dafür wird man erheblich weniger Personen brauchen. Gerade weil das aber eine doch recht kalte Welt wäre, muss HR sich viel stärker einbringen und mit der Frage beschäftigen, wie diese technischen Entwicklungen so ausgestaltet werden können, dass diese sowohl dem Wohl des Unternehmens als auch der Menschen, die dort arbeiten, dienen. Wenn HR sich hier keinen Ruck gibt, dann wird „Personalmanagement“ ob nun in 10 Jahren oder später irgendwann nur noch sehr wenig mit „Personal“ zu tun haben…


Peter: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Jo: Nun, ich glaube, ich wiederhole mich: HR ist „was mit Menschen“, klar. Aber HR ist eben heute schon und zukünftig noch viel viel mehr auch „was mit Technik“. Von daher wäre dringend zu raten, sich auch viel mehr mit Technik, technischen Entwicklungen und der Informatik zu beschäftigen, um diese sinnvoll mit Anforderungen des Personalwesens zu verbinden. Das wäre Punkt 1. Punkt 2 wäre für mich, HR nicht als losgelöste Disziplin zu betrachten, sondern den Blick auch auf angrenzende Disziplinen wie Marketing, Recht oder Produktion zu werfen.

Peter: Lieber Jo, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg, viele freundliche Partner und immer neue Ideen.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-362 Tue, 13 Dec 2016 16:50:00 +0100 5 (+1) Frage/n an Dr. Sebastian Hollmann https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/362 Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Den Auftakt bildet ein Gespräch mit Dr. Sebastian Hollmann, dem ich vornweg herzlich danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Ich bin als Berater, Trainer und Coach für die Themen Führung/Leadership und Kommunikation jährlich bei etwa 25 bis 30 Unternehmen tätig. Das Spektrum meiner Klienten reicht dabei vom Dax-Konzern wie SAP oder Continental bis hin zum kleinen regionalen Mittelständler oder auch „Hidden Champion“. Es begeistert mich dabei, immer wieder mit ganz unterschiedlichen Personen vom Vorstand bis zum Sachbearbeiter zu arbeiten und dabei Menschen und Organisationen nachhaltig zu entwickeln. Zudem bin ich als Dozent für Leadership und Kommunikation im MBA- und Master-Studiengang an der Steinbeis-Hochschule tätig und beschäftige mich in meinem Blog auf www.hrstrategieblog.de sehr intensiv mit den Themen HR, Leadership und New Work.

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Hollmann: Als Berater, Trainer und Coach arbeite ich entlang des gesamten Prozesses vom Erstkontakt bei der Akquisition bis zur Verstetigung der Projektergebnisse mit Personalabteilungen zusammen. Dabei werden zum einen Projekte an uns herangetragen, die wir dann mit Projekt- oder Linienführungskräften weiter konkretisieren. Zum anderen arbeiten wir eng mit den jeweiligen Personalverantwortlichen zusammen – sei es, um langfristige Entwicklungsprogramme aufzusetzen oder auch „kleinteilig“ ein- bis zweitägige Seminare oder Workshops abzustimmen.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Hollmann: Das schätze ich sehr gemischt ein – und denke, das ist auch der Tenor der Berichterstattung in den (sozialen) Medien. Meiner Wahrnehmung nach liegt das vielfach auch an den einzelnen Personalern selbst, die ihr Standing natürlich selbst in der Hand haben. Viele lassen sich jedoch noch auf ihre administrative Funktion reduzieren, in der sie als reine Dienstleister für das Business agieren. Häufig fühlen sie sich in dieser Rolle zugegebenermaßen auch ganz wohl – schließlich haben sie diese jahrelang erfolgreich eingenommen, als HR vor allem als administrativer Experte gefragt war, der durch saubere Prozesse und Routinen glänzen konnte. Nun allerdings hat sich die Welt verändert und ist inzwischen „VUCA“ geworden – ohne dass sich die Arbeitsweise und -schwerpunkte vieler Personaler jedoch signifikant verändert haben. Auf der anderen Seite lerne ich aber auch viele unglaublich innovative Personaler kennen – sei es in Unternehmen, oder noch eher auf Veranstaltungen – die mit Begeisterung über den HR-Tellerrand hinausdenken und sich die Frage stellen, welchen relevanten Beitrag HR zum Unternehmenserfolg leisten kann und wie sich neue Ansätze in die zum Teil auch angestaubte HR-Organisation integrieren lassen. Von daher bin ich sehr positiv gestimmt, dass sich HR in absehbarer Zeit von seiner passiven Rolle emanzipieren kann. Denn wichtig ist, dass wir nicht abwarten, was passiert – sondern aktiv gestalten. Hier wird auch durch die immer stärker werdende Szene der HR Tech Start-ups noch ungeheuer viel Bewegung reinkommen…

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Hollmann: Hierfür gibt es meiner Erfahrung nach drei Hauptgründe – diese stellen natürlich eine bewusste und vielleicht auch provokante Verallgemeinerung dar. Zusammengefasst würde ich sagen, dass es HR oftmals an strategischer Relevanz und Innovationsfähigkeit sowie einem ausreichenden Selbstbewusstsein fehlt, um für die angestoßenen Veränderungen eine bereichsübergreifende Umsetzungsverantwortung einzufordern.

In der übergeordneten Perspektive fehlen HR dabei oftmals eine eigene strategische Ausrichtung und ein sinnstiftender – wie es neuerdings heißt – Purpose. In der Regel ist es völlig unklar, wie der konkrete HR-Beitrag zum Unternehmenserfolg aussehen kann bzw. soll. Daher werden zu wenige Themen fokussiert, die eine tatsächliche strategische Relevanz für das Business haben – was wiederum in einer entsprechenden Wahrnehmung durch die Fachbereiche resultiert, HR könne nur abarbeiten. Besonders deutlich wurde dies zum Beispiel im kürzlich erschienenen Transformationswerk-Report, einer bereichsübergreifenden Studie zum Stand der digitalen Transformation in deutschen Unternehmen, in der HR – interessanterweise sowohl in der Fremd- als auch in der Selbstwahrnehmung – nur eine minimale Digital- und Vernetzungskompetenz zugesprochen wurde.

Zweitens ist HR oftmals zu wenig neugierig darauf, andere Wege abseits der eingetretenen Pfade zu gehen und dadurch auch nicht besonders experimentierfreudig und in der Folge wenig innovativ. Viele Personaler trauen sich leider zu selten, auch mal etwas auszuprobieren und sich mit neuen Themen, Formaten und Vorgehensweisen auseinanderzusetzen. Die Betroffenen sehen sich nun plötzlich mit Instrumenten wie Enterprise Social Networks oder App-basierten Pulse Surveys konfrontiert, obwohl sie gerade erst beginnen, sich an Formate wie Blended Learning heranzutasten. Auch das Thema Agilität wird zunehmend wichtiger – dabei geht es vor allem darum, die bereits angesprochene reaktive Rolle hinter sich zu lassen und noch flexibler die zentralen Zukunftsthemen aktiv anzugehen.

Drittens herrscht im System der meisten Organisationen oft ein zu starkes Silodenken anstatt eine gemeinsame Verantwortung für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter und der Organisation als Ganzes zu übernehmen. Denn schließlich ist es einfacher, sich darüber zu beklagen, dass HR nicht die richtigen Mitarbeiter zur Verfügung stellt oder die falschen Entwicklungsthemen angeboten werden. Dadurch steht HR auch deshalb oft in einem schlechten Licht da, weil Rekrutierung, Entwicklung und Bindung der richtigen Personen oft auf die Personalabteilung „abgeschoben“ werden. Das ist für die Fachbereiche eben oft viel bequemer, als zumindest eine Mitverantwortung für die nachhaltige Personal- und Organisationsentwicklung zu sehen und zu übernehmen. Eine erfolgreiche Zukunft werden daher vor allem Unternehmen haben, in denen Top-Management, Fachbereiche und HR Hand in Hand die strategisch wichtigen Themen angehen und in denen außerdem auch „am System“ gearbeitet wird, sodass die Organisationsstrukturen und -prozesse die Weiterentwicklung konsistent unterstützen und nicht – wie so häufig – konterkarieren.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Hollmann: Aus meiner Sicht muss HR der zentrale Gestalter der digitalen Transformation in den Unternehmen sein. Wir sollten alle davon weggehen, die Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Arbeit abzuhalten – dieser Gedanke ist für mich der eigentliche Kern dessen, was als „New Work“ diskutiert wird. HR sollte sich daher insbesondere darauf konzentrieren, Strukturen und Kompetenzen für das digitale Zeitalter zur Verfügung zu stellen und dadurch eine Organisation zu schaffen, in der sich Menschen selbst organisieren und entwickeln können. Entscheidend wird dabei sein, die Mitarbeiter intensiver miteinander zu vernetzen, wie es zum Beispiel immer stärker durch Enterprise Social Networking erfolgt. Daimler treibt beispielsweise dieses Thema gerade sehr intensiv und auch die Continental ist sicherlich als Vorreiter in Sachen digitale Vernetzung zu nennen. Da wir als Berater eher Methoden- als Fachexperten sind, arbeiten wir in unseren Projekten sehr stark mit den Menschen im Unternehmen und bringen häufig „einfach nur“ bestehendes Wissen in strukturierter Weise zusammen – mit erstaunlichen Ergebnissen. Oftmals gilt das alte Sprichwort: „Wenn die Firma wüsste, was die Firma weiß…!“ Führungskräfte im digitalen Zeitalter werden meiner Meinung nach daher viel stärker als bisher in ihrer Rolle als Moderator, Coach und Enabler gefragt sein, wenn es darum geht, themenbezogen und über Abteilungsgrenzen hinweg die richtigen Mitarbeiter zusammenzubringen, im Austausch Wissen intelligent zu kombinieren und zu strukturieren, um dadurch Ideen hervorzubringen und Innovationen anzustoßen. Dies muss durch HR erstens ermöglicht und gefördert werden. Zum zweiten wird es für HR noch wichtiger werden, bereichsübergreifend – z. B. gemeinsam mit der IT – die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbeiter eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten können.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Hollmann: Ich werde jetzt mal bewusst provokant und stelle die Hypothese auf, dass es HR im Allgemeinen und ein Personal-Management im Besonderen, in 10 Jahren – zumindest in der bisherigen Form – vielleicht gar nicht mehr geben könnte. Bestimmt kennen Sie das schöne Bild aus dem Bereich Zeitmanagement: Stellen Sie sich ein leeres Glasgefäß vor. In dieses werden nun große Steine gelegt, die die wichtigen und dringlichen A-Aufgaben symbolisieren. Nach und nach werden kleinere Steine für die weniger bedeutsamen oder zeitkritischen B- und C-Aufgaben hinzugefügt. Dennoch ist zwischen den Steinen, die nicht nahtlos ineinandergreifen, noch allerlei Zwischenraum zur mehr oder weniger freien zeitlichen Verfügung. Dieser wird anschließend mit Sand aufgefüllt – um zu zeigen, dass auch kleine Zeitpuffer noch sinnvoll genutzt werden können. Was will ich mit diesem Bild aussagen? Das HR der Zukunft sollte meines Erachtens sein wie der Sand zwischen den Steinen in unserem Gefäß. Und damit meine ich nicht: weniger wichtig und dringlich zu behandeln! Was ich meine, ist, dass sich HR naht- und geräuschlos in die Organisation einfügen, die einzelnen Bereiche zusammenhalten und in dieser Organisation agieren und wirken sollte. Über Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinweg sollte HR die Rolle eines Vermittlers und Gestalters zukommen, wenn es um die zentralen Rahmenbedingungen und Zukunftsthemen wie Digitalisierung, New Work oder die dafür notwendige kulturelle Transformation geht. Ich glaube nicht, dass es dafür noch so etwas wie eine Personal-Abteilung braucht – eher das Gegenteil: Denn HR darf nicht abgeteilt von den übrigen Bereichen agieren, wenn es einen strategischen Mehrwert für das Business liefern will.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Hollmann: Interessanterweise gelten auch in Zeiten, in denen Digitalisierung und Automatisierung immer bedeutsamer werden, noch immer – oder vielleicht auch gerade deshalb – die „4 Ms“: Man Muss Menschen Mögen! Der Mensch ist auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar und steht im Mittelpunkt einer guten HR-Arbeit. Wer daher Interesse an der Vielfalt anderer und dem Umgang mit ihnen hat und sich dafür begeistert, Menschen zu helfen, jeden Tag noch besser zu werden, der ist dort auch zukünftig gut aufgehoben. Alles andere lässt sich lernen, schließlich gilt (insbesondere) für HR: „Hire for attitude – train for skills“! Dabei empfehle ich, viele Impulse und Ideen zu sammeln und sich dann ein eigenes Bild zu machen. Auch Veranstaltungen wie zum Beispiel BarCamps können eine tolle Inspirationsquelle und Raum für spannende Diskussionen sein.

Wald: Ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, jede Menge offener Ohren und auch viele Möglichkeiten Erfahrungen zu sammeln und zu teilen.

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HR_Innovation_INTERVIEWS
news-538 Wed, 07 Dec 2016 09:48:00 +0100 Neue Ideen und frischer Wind durch HR Start-ups https://hr-innovation.htwk-leipzig.de/interviews/nachrichten-details-interviews/einzelansicht-interview/artikel/538 Gespräch mit Hanno Renner von Personio07.12.2016, Verfasser: HR Innovation Projekt der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der HTWK Leipzig

Start-ups sind als Thema und Ideenbringer derzeit en vogue. Sie dokumentieren vielfach Innovation und Kreativität und können dadurch m. E. auch eine Menge frischen Wind in die HR-Abteilungen bringen. Mit diesem Adventsinterview möchte ich Personio - ein interessantes Full-Service-HR Start-up aus München - vorstellen. Dafür steht mir freundlicherweise Hanno Renner - der CEO und einer der Gründer von Personio - zur Verfügung.

Wald: Lieber Herr Renner, ich freue mich, dass ich einige Fragen zu Ihnen und zu Personio bei Ihnen loswerden kann.
Renner: Lieber Herr Wald, vielen Dank für die Kontaktaufnahme, ich freue mich auf das Gespräch.

Wald: Wer oder was ist Personio? Können Sie etwas zur Geschichte von Personio erzählen?
Renner: Personio ist eine ganzheitliche HR-Management und Recruiting-Software für kleine und mittelständische Unternehmen. Wir haben Ende 2014 begonnen, die erste Version unserer Lösung zu entwickeln und haben dann sehr früh erste Kunden mit einbezogen, um deren Probleme zu verstehen und Personio in engem Austausch mit den Nutzern weiter zu entwickeln.

Wald: Wenn ich richtig gelesen habe, besteht der Unterschied zu anderen HR-Startups vor allem darin, dass Personio als Komplettanbieter von HR-Leistungen angetreten ist. Inwieweit stimmt dies?
Renner: Für große Unternehmen gibt es sehr viele integrierte Lösungen von SAP, Oracle oder Workday, welche alle HR- und Recruiting-Prozesse abdecken. Kleine Unternehmen mussten dafür bislang viele verschiedene Tools oder Excel-Listen einsetzen und damit Daten an verschiedenen Stellen pflegen sowie sich verschiedene Log-in Daten merken. Wir bieten Unternehmen zwischen 10 und 1000 Mitarbeitern die Möglichkeit, alles in einer Software abzudecken und von den Schnittstellen verschiedener Bereiche wie Recruiting, Onboarding, Stammdatenverwaltung oder Lohnbuchhaltung zu profitieren.

Wald: In einem anderen Interview sagten Sie, dass sich die Personalabteilungen bei der Nutzung von Personio nicht mehr so intensiv um administrative Aufgaben kümmern muss. Wie ist dies konkret zu verstehen?
Renner: Prozesse wie Beantragung von Fehlzeiten, das Onboarding neuer Mitarbeiter oder die Änderung von Stammdaten werden häufig direkt von der Personalabteilung durchgeführt. Mit Personio können diese Aufgaben direkt auf die Mitarbeiter übertragen werden und das System übernimmt sogar die Erinnerung der Mitarbeiter, wenn zum Beispiel ein Sozialversicherungsausweis oder ein Attest hochzuladen ist. Als Personaler habe ich natürlich nach wie vor den kompletten Überblick und kann auch frei bestimmen, wie stark und in welche Prozesse die Mitarbeiter involviert werden sollen.

Wald: Jetzt gibt es dieses Leistungspaket auch von den bereits erwähnten gestandenen Anbietern. Was ist das Besondere an Personio?
Renner: Personio bietet im Vergleich zu vielen gestandenen Anbietern eine deutlich modernere und dadurch intuitivere Benutzungsoberfläche an und ist dennoch sehr stark anpassbar an die Prozesse und Gegebenheiten in den Unternehmen. Außerdem hat Personio keine hohen initialen Einrichtungskosten, sondern kann mit geringen Investitionen in sehr kurzer Zeit eingeführt werden

Wald: Eine wichtige Frage aus Sicht der Personaler. Wo sehen Sie die Grenzen des Outsourcings von HR?
Renner: Ich sehe unsere Software nicht als Outsourcing von HR. Die Personalabteilung im Unternehmen ist aus verschiedenen Gründen sehr wichtig und wird das auch immer bleiben. Allerdings glaube ich, dass digitale Lösungen wie Personio die Personaler dabei unterstützen können, ihre Mitarbeiter noch besser zu managen und neue Kollegen zu rekrutieren. Ich bin der Meinung, dass Personaler wichtigere Aufgaben haben, als Urlaubstage zu zählen und Excel-Listen für die Lohnbuchhaltung vorzubereiten. Mit Personio wollen wir ihnen die Zeit verschaffen, sich den wichtigen Aufgaben zu widmen.

Wald: Können Sie etwas zur Preisgestaltung bei Personio sagen?
Renner: Auch das ist etwas, das uns von etablierten Herstellern abgrenzt, bei denen häufig völlige Intransparenz über die Preise herrscht. Wir kommunizieren unsere Preise öffentlich auf unserer Website unter www.personio.de/preise/. Je nach gewähltem Paket und der Mitarbeitergröße lässt sich dort der monatliche Preis herausfinden. Die meisten Kunden zahlen allerdings jährlich auf Rechnung und in diesem Fall gibt es nochmal 2 Monate kostenlos.

Wald: Wie geht es weiter mit Personio? Was ist in der näheren und ferneren Zukunft an weiteren Lösungen von Personio zu erwarten?
Renner: Wir erweitern permanent unser Funktionsangebot und legen dabei nach wie vor größten Fokus auf das Feedback unserer Kunden. Neben den internen Funktionen haben wir auch einige Partnerschaften mit Lohnbuchhaltungsanbietern oder anderen Software-Lösungen, auch diese werden wir weiter ausbauen, um unseren Kunden maximalen Nutzen zu bieten.

Wald: Ganz herzlichen Dank für diese Informationen. Ich wünsche Ihnen und dem Personio-Team viele und anhaltende Erfolge!

Die Fragen im heutigen Interview hat Hanno Renner beantwortet. Er ist CEO bei Personio aus München. Neben Hanno Renner gehören Roman Schumacher, Ignaz Forstmeier und Arseniy Vershinin zu den Gründern von Personio. Ihre gemeinsamen Wurzeln liegen im Center for Digital Technology & Management (CDTM) in München. Personio ist eine innovative SaaS-Lösung, die Funktionen für nahezu alle Aufgaben im HR-Management in einer einzigen Plattform vereint. Hierzu zählen die Verwaltung von Stammdaten, Dokumenten, Anwesenheits- und Fehlzeiten sowie Vergütungen und darüber hinaus eine vollständige Recruitinglösung inklusive der Administration von On- und Offboarding-Prozessen.

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HR_Innovation_INTERVIEWS